Karl Nolle, MdL

Frankfurter Rundschau, 30.10.2003

Olympischer Landtagswahlkampf

Die Leipziger Bewerbung für die Spiele 2012 ist zum Schauplatz parteipolitischer Ränkespiele geworden
 
Ein Multifunktionär hat es schwer. Das Beispiel von Hermann Winkler, dem Sachsen, zeigt es. Macht er den Mund auf, fragen alle: Wer spricht denn gerade? Der sächsische CDU-Generalsekretär Winkler, der Landessportbundpräsident Winkler, das Olympia-GmbH-Aufsichtsratsmitglied a. D. Winkler? Am 18. Oktober, als sich der Olympia-Aufsichtsrat in Düsseldorf traf, um nervende Stasi-Angelegenheiten aus der Welt zu schaffen, kündigte Winkler an, sein Aufsichtsratsmandat niederzulegen. Um die Politik aus der Olympiabewerbung rauszuhalten. "Ich wollte damit ein deutliches Zeichen setzen", sagt der 40-jährige Politiker aus Grimma. Das klang fair und sportlich.

Aber irgendwie sprach auch der CDU-Generalsekretär. Irgendwie war Winklers Beitrag zur Entpolitisierung eine höchst politische Aktion, denn das Zeichen richtete sich an ein anderes Aufsichtsratsmitglied - den Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee. Der ist SPD-Mitglied und der Wunschkandidat der sächsischen SPD für die Landtagswahl 2004. Tiefensee, so der sehnliche Wunsch der SPD, soll gegen CDU-Ministerpräsident Georg Milbradt antreten. Nur weiß kein Mensch, ob Tiefensee es tun wird. Die SPD liegt bei zehn Prozent, die politische Großwetterlage ist mies, also schweigt Tiefensee seit Monaten. Warum soll er sich Dauerverlierer ans Bein binden? Immerhin hat er schon ganz anderen, zum Beispiel dem Kanzler, der ihn als Minister wollte, einen Korb gegeben. Tiefensee lächelt, sagt nichts, außer - und das zeugt von Chuzpe -, dass er Winklers Teilrückzug für eine gute Sache hält. Über sich selbst spricht er nicht, und das ärgert die CDU.

Unheimlicher Gegner

Für die Union ist Tiefensee ein unheimlicher Gegner: Sie fürchtet ihn, weil er, was Öffentlichkeitswirksamkeit und Auftreten betrifft, den ungeschliffen wirkenden Milbradt in den Schatten stellt und mit der SPD 2004 zwar nicht die Mehrheit, aber doch so viel Prozente holen könnte, dass es für die absolute Herrschaft der CDU nicht mehr reicht. So lange er schweigt, kann sie ihn nicht packen. "Er soll sagen: ja oder nein", fordert Winkler und kündigt, ganz CDU-Generalsekretär, an: "Wenn er antritt, freue ich mich darauf, den Burschen zu entzaubern."

Tiefensees Sprachlosigkeit missfällt auch anderen Aufsichtsratsmitgliedern, die es gern gesehen hätten, wenn er am 18. Oktober in Düsseldorf ebenfalls ein Zeichen gegeben hätte. Aber Bundesinnenminister Otto Schily soll, dem Vernehmen nach, dazwischengedonnert haben, der Aufsichtsrat sei ja wohl nicht der Ort, um über sächsische Wahlkandidaturen zu entscheiden.

Nicht nur wegen der Causa Tiefensee/Landtagswahl steckt die Olympiabewerbung bis zum Hals in Politik. Auch Wolfram Köhler, der quirlige sächsische Olympia-Staatssekretär beschäftigt seit Wochen die Landespolitik. Köhler, einst Erfinder der sächsischen Olympia-Idee und Oberbürgermeister in Riesa, muss sich vorwerfen lassen, Vetternwirtschaft zugunsten seiner Frau Franziska betrieben zu haben. Die kassiert hohe Provisionen für einen Werbevertrag zwischen dem Unternehmen Verbundnetz Gas (VNG) und einer kommunalen Fördergesellschaft, für die Frau Köhler seit einigen Jahren als freie Mitarbeiterin arbeitet. Das Unternehmen zahlte 2,5 Millionen Euro für das Namensrecht an der Riesaer Sporthalle, die seitdem Erdgasarena heißt. Köhlers Frau kassiert eine 15prozentige Provision, verteilt auf zehn Jahre, wobei unklar ist, worin eigentlich ihre Leistung in diesem Geschäft bestand: Angebahnt hat sie den lukrativen Deal offensichtlich nicht. Das Gasunternehmen erklärte, es sei von selbst auf die Stadt zugekommen. Was kein Wunder ist: Es beliefert seit 1992 die Riesaer Stadtwerke mit Gas. Man kennt sich also.

Staatssekretär im Zwielicht

Die SPD im Dresdner Landtag spricht deshalb von einer "Bereicherungsaffäre" und fordert Köhlers Rücktritt. Sie wirft ihm vor, er habe sich seine eigene Arbeit mit Provisionszahlungen an seine Frau vergolden lassen. Auch innerhalb der sächsischen CDU bekommen manche beim Gedanken an die Geschäftstüchtigkeit der Familie Köhler Gänsehaut. "Juristisch in Ordnung, aber sonst Scheiße", sagt ein hochrangiger CDU-Mann. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Manfred Kolbe forderte Frau Köhler auf, das Geld zurückzuzahlen. Die Sache sei rechtlich zweifelhaft und moralisch nicht vermittelbar. Ministerpräsident Milbradt hat das Dresdner Regierungspräsidium angewiesen, die Anschuldigungen zu prüfen.

In einem Fall allerdings scheint es gelungen zu sein, die Politik herauszuhalten. Ursprünglich wollte sich Karl Nolle, SPD-Landtagsabgeordneter, selbst ernannter Chefaufklärer sowie CDU-Filz-Bekämpfer, auf den Fall Köhler stürzen. Eine 13teilige Kleine Landtagsanfrage zu Köhler und Gattin war am 5. September formuliert, schaffte es aber nie in den Geschäftsgang des Landtages. Ein lauter Genossenpfiff aus Leipzig soll Nolle zur Zurückhaltung verdonnert haben.
(von Bernhard Honnigfort)