Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 05.11.2003

Tiefensee-Ersatz gesucht

SPD uneins: Parteichefin Krehl und Fraktionschef Jurk rangeln um Spitzenkandidatur
 
Ein bereits erprobter Ersatzmann für Wolfgang Tiefensee hat gestern augenzwinkernd für den Job als sächsischer SPD-Spitzenkandidat abgesagt. „Ich stehe dieses Mal für eine Kandidatur nicht zur Verfügung“, sagte Aufbau-Ost-Minister Manfred Stolpe, dessen Amt Leipzigs Oberbürgermeister eigentlich nach der Bundestagswahl übernehmen sollte. Ganz im Ernst hatten beide Politik-Akteure zuvor am Vormittag in Berlin miteinander gesprochen: auch über Olympia und was der Bund dafür noch tun könne.

Stolpe: Olympia verhinderte OB-Antritt

Ohne die „Katastrophen um die Olympiabewerbung“ wäre Tiefensee nach Stolpe-Ansicht als erster Genosse zur Landtagswahl angetreten. „Mein sicherer Eindruck ist, dass er sich sonst anders entschieden hätte“, sagte Stolpe. Er habe miterlebt, so Stolpe, wie Tiefensee mit sich gerungen und gelitten habe. „Tiefensee hat sich aus Sorge um die Olympiabewerbung richtig entschieden. Es wird uns helfen, dass die Olympiabewerbung nicht ins Straucheln gerät.“ Die Spiele wären wichtig für Leipzig, Sachsen und ganz Deutschland.

Nach der Tiefensee-Absage hat in der sächsischen SPD unterdessen hinter den Kulissen ein heftiges Tauziehen um den künftigen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2004 sowie den Termin für dessen Wahl eingesetzt. SPD-Landesvize und Bundesstaatsminister Rolf Schwanitz erklärte gestern, er stehe nicht zur Verfügung. Damit läuft alles auf ein Wettrennen zwischen Sachsens SPD-Chefin, Constanze Krehl, und den Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion, Thomas Jurk, hinaus. „Einer von beiden wird es“, ist sich auch Juso-Chef Martin Dulig sicher, der gestern erneut auf eine zügige Entscheidung drängte, um den Bekanntheitsgrad des künftigen SPD-Bewerbers bis zur Wahl „noch bestmöglich steigern zu können“. Unterstützt wurde er von der zweiten SPD-Landesvize und Bundestagsabgeordneten Barbara Wittig. „Der oder die Neue wird mehr Zeit als Tiefensee brauchen“, plädiert sie dafür, die K-Frage nicht erst wie ursprünglich geplant im Frühjahr 2004 zu klären.

Dass Krehl vom SPD-Landesverband bereits erneut als Kandidatin für das Brüsseler EU-Parlament bestätigt wurde, hält Wittig für keine Vorentscheidung. „Das ist kein Hinderungsgrund, um künftig doch als Spitzenkandidatin anzutreten.“

Nach einem Krisentreffen zwischen Krehl, Jurk, Schwanitz und Tiefensee mit SPD-Generalsekretär Olaf Scholz gestern in Berlin ist allerdings wieder fraglich, ob es bereits am Freitag auf einer Sondersitzung des sächsischen SPD-Landesvorstandes zu einer Vorentscheidung kommt. Krehl kündigte einen eigenen Vorschlag für einen neuen Wahlkampf-Fahrplan an, erklärte dabei jedoch, dass „es keinen Grund gebe, in Hektik zu verfallen“. Weder sie noch Jurk äußerten sich definitiv zu den eigenen Ambitionen. Dafür legte sich der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle bereits öffentlich fest: „Thomas Jurk hat vier Jahre eine erfolgreiche Politik im Landtag gemacht. Er ist der geborene Spitzenkandidat, der Milbradt Paroli bieten kann.“

Nach Wundenlecken nun neue Vorwärts-Parolen

SPD-General Scholz wollte offiziell gar nichts sagen. Intern erfuhr man aus dem Willy-Brandt-Haus, man wolle zunächst rauskriegen, „was da in Sachsen überhaupt los ist“. Dazu leckte man sich noch einmal die Tiefensee-Wunde. „Der ist halt eine Diva und lässt sich sowieso nichts sagen.“ Sächsische Parteifreunde sehen das anders. „Im Sommer hatten wir ihn soweit“, plaudert einer aus dem sozialdemokratischen Nähkästchen: Leipzigs OB war bereit zur Spitzenkandidatur. „Bis die ersten Schüsse fielen“ - auf Olympia, Leipzig und Tiefensee. Doch das Thema ist abgehakt und nun wird Ersatz gebraucht. SPD-Landesgruppenchef Gunter Weißgerber sieht die Angelegenheit pragmatisch: „Alle in der Partei haben jetzt diese Frage zu lösen – wie in anderen Parteien auch.“
(Von Peter Heimann und Gunnar Saft)