Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 05.11.2003

Krehl will Milbradt überraschen

Nach Tiefensees Verzicht freunden sich die Landesvorsitzende und Fraktionschef Jurk mit Herausforderer-Rolle an
 
BERLIN/DRESDEN. Wenn Kampf­geist und Siegeswille Gradmesser für die Frage der Spitzenkandidatur wären, dann würde Constanze Krehl mit leichtem Vorsprung in das Duell der sächsischen SPD bei der Landtagswahl 2004 gehen. Denn während sich Fraktionschef Thomas Jurk noch bedeckt hält, lässt die Landesvorsitzende keinen Zweifel an ihren Ambitionen auf­kommen. Sollten es die Mitglieder wünschen, so stehe sie bereit, hatte Krehl schon am Tage der Absage Wolfgang Tiefensees gesagt. Ges­tern schlüpfte sie bereits in die Rol­le einer Herausforderin. "Minister­präsident Milbradt wird sich noch wundern, zu was die sächsische SPD fähig ist", trat Krehl dem Verdacht entgegen, die Partei sei in Ratlosig­keit und Lethargie verfallen.

Es werde keine Kampfkandidatur gegen den Fraktionsvorsitzen­den geben, kündigte Krehl "einver­nehmliche Gespräche" mit Thomas Jurk an. Der erhielt, gestern Zuspruch von seinem bekanntesten Abgeordneten. "Jurk ist der gebore­ne Herausforderer von Milbradt", lobte Karl Nolle den Anführer der 14-köpfigen Oppositionsgruppe. Er habe sich vom früheren "Schmuse­kurs" erfolgreich abgewandt und die SPD zu einer "respektierten Grö­ße" im Landtag entwickelt.

Jurk wird das gern hören und will auch bleiben, was er ist. Denn überließe er Krehl Platz 1 auf der Landesliste, dann könnte die Europa-Parlamentarierin Zugriff auf den gut dotierten Posten einer Frakti­onsvorsitzenden nehmen. Ich möchte gern in der Landespolitik weiterarbeiten", bestätigte Jurk. Für die Bereitschaft, gegen Milbradt an­zutreten, benötige er aber noch Be­denkzeit. Vielleicht ist die schon am Freitag abgeschlossen, wenn der Landesvorstand in Leipzig den künftigen Kurs absteckt. Dabei wird es vor allem um den Termin des Nominierungsparteitages gehen. Jurk plädiert für ein Vorziehen von April 2004, Krehl will den Zeitplan nicht deswegen über den Haufen werfen, weil Tiefensee nicht mehr zur Ver­fügung steht. "In diesem Jahr wird es keinen Parteitag geben", sagt die Vorsitzende voraus.

Am Ziel, die CDU in Sachsen abzulösen, habe sich nichts geändert, bekräftigte Jurk nach dem Gipfel in Berlin. Vermutungen, dass die Par­teizentrale Einfluss auf die Kandida­tenfrage nehmen wolle, trat Jurk of­fensiv entgegen. Wir Sachsen las­sen uns das nicht vorschreiben."

Einer internen Lösung wird of­fensichtlich auch ein Sachse nicht im Wege stehen. Rolf Schwanitz will seine Aufgabe als Staatsminis­ter in Berlin weiterführen. Der Ge­nosse aus Plauen weilte dem Ge­spräch im Willy-Brandt-Haus eben­so bei wie der Mann, der die Runde mit Generalsekretär Olaf Scholz durch seinen. Verzicht ausgelöst hatte, Wolfgang Tiefensee, Leipzigs Oberbürgermeister, wiederholte sei­ne Gründe. Mehr als Respekt konn­te er aber nicht erwarten.
(Hubert Kemper)