Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 06.11.2003

Aus Olympia-Fieber wird schwere Grippe

Staatsanwalt und Regierungspräsidium prüfen Provisionsgeschäfte der Bewerber GmbH – Die Leipziger Stadtspitze gerät unter Druck
 
Leipzig/Dresden/Riesa. Während Stadtoberhäupter aus ganz Deutschland am Mittwoch ihre Finanznöte vor dem Bundesrat in Berlin deutlich machten, geriet das Rathaus der Olympia-Bewerberstadt Leipzig wegen unklarer Finanz-Transaktionen ins Visier von Justiz und staatlicher Aufsichtsbehörde. Leipzigs Oberstaatsanwalt Norbert Röger sagte am Mittwoch auf Anfrage der „Freien Presse“, dass ein Prüfverfahren zur Olympiabewerbung eingeleitet worden sei. Seit Mittwoch werden zudem im Leipziger Regierungspräsidium die Vorgänge im Zusammenhang mit der Olympia-Bewerbung geprüft. Ebenfalls am Mittwoch hatte Sachsens Finanzminister Horst Metz einen Prüf-Zwischenbericht der Staatsregierung für den 19. November angekündigt.

Nachdem am Dienstagabend die Gesellschafter der alten Olympia GmbH mit Vertretern des Freistaats sowie der Städte Leipzig, Chemnitz und Riesa, kurzfristig von der Staatsregierung zu einer Sitzung nach Dresden gebeten worden waren, sind laut einem Bericht der „Berliner Zeitung“ vom Mittwoch neue Vorwürfe zum Geschäftsgebaren der GmbH bekannt geworden. Danach geht es um eine Vereinbarung zwischen der Stadt Leipzig und der alten Olympia GmbH, worin deren damaliger und inzwischen abgesetzter Geschäftsführer Dirk Thärichen das Rathaus schriftlich verpflichtet haben soll, Geld in die GmbH einzubringen. Ebenfalls soll festgelegt worden sein, dass aus dem betreffenden Betrag – die Rede ist von einer Million Euro – eine 15-prozentige Provision an die Agentur SCI zu zahlen sei, deren Geschäftsführer das Sportvermarktungs-Duo Ivan Radosevic und Henner Ziegfeld sind.

Fraglich ist dabei, für welche Leistungen SCI, deren Mitarbeiter Thärichen vor seiner Zeit als Olympia-Geschäftsführer war, diese Provision erhalten sollte. Fraglich ist weiter, ob die genannte eine Million Euro aus Haushaltsmitteln der Stadt Leipzig stammt oder ob es sich um anderweitig von der Stadt beigebrachte Mittel handelt. Die Vereinbarung soll vom Leipziger Beigeordneten Burkhard Jung unterschrieben sein. Trifft der Bericht der „Berliner Zeitung“ zu, so steht auch Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee unter Druck, der noch Mitte Oktober behauptet hatte, die Stadt stehe in keiner direkten Verbindung mit dem Tagesgeschäft der GmbH. Diese neuerlichen Vorwürfe ließ die Stadt Leipzig auf Anfrage der „Freien Presse“ unkommentiert, stattdessen verwies man auf das noch ausstehende Ergebnis einer „Tiefenprüfung der Olympia-Geschäfte“.

Staatsanwaltliche Ermittlungen wurden am Mittwoch vom SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle auch im Fall des in den Ruhestand versetzten Olympia-Staatssekretärs und ehemaligen Riesaer Oberbürgermeisters Wolfram Köhler gefordert. Nolle nannte die Provisionsgeschäfte, die Köhlers Ehefrau als Mitarbeiterin und Geschäftspartnerin einer stadteigenen Tochtergesellschaft erhalten hat, „politisch hochgradig korrupt und strafrechtlich mehr als bedenklich“. Köhler selbst konnte sich dank seiner fünfeinhalbmonatigen Tätigkeit als Staatssekretär zusätzliche Versorgungsansprüche in Höhe von fast 800.000 Euro sichern.
(Hubert Kemper, Dagmar Ruscheinsky und Samira Sachse)