Karl Nolle, MdL
ND Neues Deutschland, 01.10.2003
Ostförderung nur für Ostbetriebe?
SPD-Wirtschaftspolitiker fordern weitere Hilfen
Wichtige Förderprogramme für die Wirtschaft im Osten wird es in der bisherigen Form bald nicht mehr geben. Fachleute denken über Veränderungen nach. SPD-Politiker etwa wollen Ostförderung nur noch an Ostbetriebe zahlen.
Karl Nolle ist bekanntlich Firmenchef. Seine Druckerei steht in Dresden, Chefzimmer inklusive. Nolle hat daher gut reden. Speziell für Ostdeutschland entwickelte Programme der Wirtschaftsförderung, sagt der Unternehmer und sächsische SPD-Landtagsabgeordnete, sollen künftig nur noch Unternehmen zugute kommen, die »substanzielle Funktionen« in den Ost-Ländern ansiedeln. Dazu können der Firmensitz, Forschung und Entwicklung oder Marketing gehören. Darüber, ob etwa der in Wolfsburg ansässige VW-Konzern dann noch von solchen Programmen profitieren könne, »muss man diskutieren«.
Der Vorschlag ist Teil eines Paketes von Forderungen und Maßnahmen, über das die wirtschaftspolitischen Sprecher der ostdeutschen SPD-Landtagsfraktionen jetzt in Dresden berieten und mit dem sie auf das absehbare Auslaufen oder gravierende Veränderungen bei den wirtschaftspolitischen Förderinstrumenten für Ostdeutschland reagieren. So wird die Investitionszulage Ost nach derzeitigem Stand nur für Vorhaben gewährt, die bis Ende 2004 abgeschlossen sind. Die Gemeinschaftsaufgabe Ost (GA) wird stark zurückgefahren. Auch der europäische Fonds für Regionalentwicklung (EFRE) steht ab 2006 auf dem Prüfstand.
Eine Abschaffung der Förderprogramme sei zum jetzigen Zeitpunkt aber alles andere als ratsam, sagen die ostdeutschen Sozialdemokraten. Die Wirtschaft im Osten sei »mittelfristig nicht selbsttragend« und belaste »wie ein Mühlstein am Hals« auch die Ökonomie der gesamten Bundesrepublik, gibt Nolle zu bedenken. »Wenn wir die Wirtschaft hier nicht in Ordnung bringen, leidet auch der Westen«, heißt es angesichts von Forderungen aus dem SPD-regierten Nordrhein-Westfalen, die Ost-Förderung zu reduzieren. Wer dies begehre, handle aus »Unkenntnis«.
In Ostdeutschland sieht Nolle dagegen Einigkeit über Parteigrenzen hinweg, was ihn Vergleiche zu den Verhandlungen über den Solidarpakt II ziehen lässt. Die SPD-Fachleute unterstützen die Bundesratsinitiative mehrerer Ost-Bundesländer, die Investitionszulage bis mindestens 2008 fortzuführen. Die bereitgestellte Summe soll 2005 noch 900 Millionen Euro betragen und im Jahr danach auf 600 Millionen Euro gesenkt werden.
Die Wirtschaftspolitiker setzen sich aber dafür ein, die Mittel zielgenauer einzusetzen, sagt Katrin Budde, Ex-Wirtschaftsministerin in Sachsen-Anhalt. Detaillierte Vorschläge sollen binnen sechs Monaten erarbeitet werden. Absehbar ist bereits, dass dazu neben der erwähnten Konzentration auf »Ost-Unternehmen« und die Infrastruktur auch der bevorzugte Einsatz der GA-Mittel an »Wachstumspolen« gehören soll. Wo diese liegen, sollten die Länder stärker selbst festlegen dürfen. Budde plädierte zudem dafür, die Pflicht zur Kofinanzierung neu zu regeln. Viele Länder können angesichts leerer Kassen den 50-prozentigen Eigenanteil bei der GA-Förderung nicht mehr aufbringen.
Abgelehnt wird bei den SPD-Fachleuten der Vorstoß aus unionsgeführten Ländern, Sonderwirtschaftszonen im Osten einzurichten. Dabei sei es bisher »nur um Deregulierung« gegangen, so Budde. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Gillo (CDU) und einige seiner Ressortkollegen plädieren dafür, in Ostdeutschland den Kündigungsschutz und andere Arbeitnehmerrechte aufzuweichen, um Anreize für Investitionen zu schaffen. »Da sind wir aus politischen Gründen dagegen«, sagt Budde, die zudem beklagt, die Fürredner der Sonderzonen hätten keine Konzepte zur Entwicklung der Wirtschaft vorgelegt.
Schwierigkeiten haben die ostdeutschen Sozialdemokraten aber nicht nur mit Unionsministern, sondern auch mit den Parteifreunden in Berlin. Auf harsche Kritik stößt bei den Ost-Genossen auch weiterhin das Vorhaben der SPD-geführten Bundesregierung, Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenzulegen. Dies werde zu Kaufkraftverlusten von 1,5 bis 2 Milliarden Euro im Osten führen, sagt Nolle. Ähnlich kritisch werden die Pläne zur Absenkung der Kilometerpauschale beurteilt. Gerade für ostdeutsche Flächenländer ohne ausreichendes Arbeitsplatzangebot ist dies nach Meinung Buddes »sehr kontraproduktiv«.
(von Hendrik Lasch)