Karl Nolle, MdL

Agenturen ddp-lsc, 10:40 Uhr, 05.12.2003

Die Fakten der Akten - Was der Sachsenring-Untersuchungsausschuss bislang aufgehellt hat

Nach Milbradt droht auch Biedenkopf Ladung
 
Dresden (ddp-lsc). Einen Abschlussbericht wird es nicht geben. Der Vorsitzende des Sachsenring-Untersuchungsausschusses, André Hahn (PDS), verweist auf das nahende Ende der Legislaturperiode. Bis dahin könne das Papier schon aus verwaltungstechnischen Gründen nicht zustande kommen. Zwei Möglichkeiten blieben: Entweder der am 19. September 2004 neugewählte Landtag setzt erneut einen Ausschuss ein, um die Vorgänge rund um einen plötzlich um vier Millionen Mark erhöhten Zuschuss zugunsten der Sachsenring Automobiltechnik AG (SAG) und die im Wesentlichen von ihr finanzierte PR-Aktion «Sachsen für Sachsen» im Vorfeld der Wahl 1999 aufzuhellen. Oder aber - die wahrscheinlichere Variante - alle Fraktionen geben sich mit dem bis Sommer erwarteten Ende der Beweisaufnahme zufrieden und im Juli jeweils Einzelstatements ab.

Wie diese ausfallen werden, ist bereits absehbar - auch wenn mit Ex-Regierungssprecher Michael Sagurna nächsten Dienstag, Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) am 22. Dezember und möglicherweise schon bald im neuen Jahr mit dessen Amtsvorgänger Kurt Biedenkopf (CDU) noch einige prominente Zeugenaussagen ausstehen. Schon bei der Paunsdorf-Affäre war der Hang der Fraktionen auffällig, den jeweiligen Standpunkt vor Einsetzung des Kontrollgremiums fortan einfach beizubehalten.

Auch zur vergangenen Ausschusssitzung am 25. November sagte CDU-Obmann Klaus Leroff dem gerade angehörten Zeugen nach, «unmissverständlich klargestellt» zu haben, dass «Sachsen für Sachsen» als Imagekampagne der hiesigen Wirtschaft «gewollt und konzipiert» war und «das Märchen von der parteipolitischen Kampagne» damit zu Ende sei.

Nur wenige Momente zuvor war jedoch von dem besagten Zeugen, Hans-Erich Bilges von der PR-Firma WMP EuroCom AG, eine Erklärung vom 27. November 2002 bekannt geworden. Mit dem Abstand von mehr als drei Jahren hatte der 59-Jährige darin der von WMP konzipierten Aktion «Sachsen für Sachsen» das Ziel bescheinigt, «deutlich zu machen, was die Landesregierung in Sachsen innerhalb von zehn Jahren erreicht hat und was die Bürger zur bisherigen Politik der Landesregierung sagten».

«Unscharf» fand Bilges den Begriff Landesregierung nun, auch in seinem Konzeptentwurf vom Herbst 1998 gebe es einige «unglückliche Formulierungen», aber mit der letzten Endes durchgeführten Kampagne habe dieser ja auch nicht mehr so viel zu tun. Das sieht PDS-Mann Hahn anders. Er sagt, abgesehen von den «intensiven Schulungen über die dialektischen Künste der PDS» oder der Aktion «Ich war in der SED - So geht es mir heute» wären doch fast alle anderen Vorschläge umgesetzt worden - Zeitungsanzeigen für in Urlaub reisende Sachsen, Leser-Aktionen, Medienkampagnen.

Mit SPD-Obmann Karl Nolle teilt Hahn die Einschätzung, dass der Vorwurf des früheren SAG-Vorstandschefs Ulf Rittinghaus an die Adresse von Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU), ihm als Gegenleistung für die PR-Kampagne einen um mehrere Millionen Mark erhöhten Zuschuss angeboten zu haben, von keinem der bisherigen Zeugen ernsthaft entkräftet worden sei - und dass Biedenkopfs Sprecher Sagurna die Kampagne mit gesteuert habe. Es sei «nicht vorstellbar», dass dies ohne Wissen seines Chefs geschehen sei. Hahn äußerte sich zugleich zufrieden über die Aktenlage: Die sei «in einer Weise eindeutig, wie das selten ist für Untersuchungsausschüsse».

Als bislang letzte Zeugin hatte die Dresdner Unternehmerin Viola Winkler ihren Auftritt. Sie bestritt, die PR-Aktion vor einem Jahr als Werbung für Biedenkopf bezeichnet zu haben, und gestand zugleich ein, dass ihr persönlicher Assistent Steffen Kaden die organisatorischen Fäden der Kampagne in den Händen hielt. Nolle glaubt damit ein weiteres Puzzlestück gefunden zu haben: Kaden ist seit 1996 Mitglied der CDU und sitzt für sie seit 1999 im Dresdner Stadtrat. Wenige Wochen vor der damaligen Landtagswahl dürfte der inzwischen 33-Jährige eher wenig Lust auf eine parteipolitisch neutrale Aktion «Sachsen für Sachsen» gehabt haben.
(Von ddp-Korrespondent Tino Moritz)
ddp/tmo/lam
051040 Dez 03