Karl Nolle, MdL

LVZ/DNN, 12.12.2003

Krehl: Landesregierung hat Chancen der EU-Osterweiterung verschlafen

 
LEIPZIG. Erstmals kommt es am 1. Februar bei der sächsischen SPD zu einer Urwahl, weil sich sowohl Parteichefin Constanze Krehl als auch Fraktionschef Thomas Jurk um die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl 2004 bewerben. Unabhängig von den Personalquerelen will die Parteivorsitzende inhaltliche Schwerpunkte setzen mit dem ab heute verbreiteten Wahlprogramm.

Frage: In Thüringen wurde jetzt ruck zuck der SPD-Landeschef als Spitzenkandidat für die Landtagswahl gekürt. Warum tut sich die sächsische SPD so schwer?

Constanze Krehl: Wir haben lange Zeit auf unseren Wunschkandidaten Wolfgang Tiefensee gewartet, der uns vor wenigen Wochen wegen der Olympiabewerbung absagte. Ich nehme für mich in Anspruch, nachdem ich die Partei nach einer schweren Wahlniederlage übernommen und jetzt viereinhalb Jahre zusammengehalten habe, als Spitzenkandidatin in die Landtagswahl zu gehen. Mit gutem Recht hat auch Thomas Jurk die Möglichkeit wahrgenommen, sich dafür zu melden. Gemeinsam haben wir uns für die Urwahl entschieden, um alle Parteimitglieder in Sachsen an der Entscheidung zu beteiligen.

Die schwache sächsische SPD verschleißt sich in einem Personenduell. Gerät darüber nicht die inhaltliche Auseinandersetzung im Wahlkampf in den Hintergrund?

Nein, dem habe ich einen Riegel vorgeschoben. Gestern Abend brachte ich auf einer Veranstaltung die wichtigsten Ziele der künftigen sächsischen SPD-Politik in die öffentliche Diskussion. Heute werde ich das Ergebnis einer Arbeitsgruppe, die ich leite, den Ortsverbänden vorlegen: unser Programm für den Landtagswahlkampf.

Was will die SPD besser machen als die CDU?

Unsere Ziele sind eine günstigere Wirtschaftsentwicklung in Sachsen und eine deutlich bessere Situation auf dem Arbeitsmarkt. Dabei setzen wir auf ein kreatives Unternehmertum, auf neue Technologien, eine bessere Ausbildung und die gewaltigen wirtschaftlichen Möglichkeiten, die sich im nächsten Jahr mit der EU-Osterweiterung ergeben.

Stichwort Wirtschaft: Die CDU-Landesregierung hat gerade eine weitere große Chipfabrik nach Dresden geholt. Was würde die SPD ändern bei der Wirtschaftsförderung?

Die sächsische Landesregierung betreibt Leuchtturmpolitik, mit Porsche und BMW in Leipzig oder AMD in Dresden. Die Regionalpolitik wird völlig vernachlässigt. Es dürfen nicht nur die großen Städte von Wirtschaftsansiedlungen profitieren. Wirtschaftsförderung muss viel mehr auch die Umgebung, die Regionen, im Blick haben.

Wenn man Umfragen anschaut, sind die Bürger aber mehrheitlich zufrieden mit der sächsischen Regierung. Was werfen Sie eigentlich Ministerpräsident Milbradt vor?

Zufrieden sind vielleicht die, die Arbeit haben. Aber viel zu viele haben keinen Job oder sind in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Die Staatsregierung betreibt eine verfehlte Wirtschaftspolitik, weil sie zukünftige Entwicklungen nicht berücksichtigt. So hat sie völlig verschlafen, die Osterweiterung mit den Unternehmen in Sachsen vorzubereiten. Wirtschaftsminister Gillo weiß noch nicht einmal, wie ab 1. Mai 2004 das Grenzregime zu Polen und Tschechen funktioniert. Wie will er dann Investoren fachkundige Auskünfte geben. Das ist ein große Schwachstelle in der Regierung.

Stichwort Bildung: Was möchte die SPD da verändern?

Wir wollen ein Vorschuljahr für alle Kinder einführen und die achtjährige gemeinsame Schulzeit. Unser Ziel ist es, mehr Chancengleichheit für alle zu schaffen. Zudem müssen die Studienbedingungen an den Universitäten dringend verbessert werden.

Und was tun Sie, wenn Sie die Urwahl verlieren?

Ich verliere nicht.

Interview: Anita Kecke