Karl Nolle, MdL

Gemeinsame Presseerklärung, 10.12.2003

Sachsenring-Untersuchungsausschuss: PDS-Landtagsfraktion und SPD-Landtagsfraktion Tischendorf / Nolle: CDU tritt Minderheitenrechte im Untersuchungsausschuss mit Füßen

Opposition ruft Verfassungsgericht an, um Herausgabe von Protokollen an Schommer zu verhindern – Klagt Hahn gegen Hahn?
 
Die Obmänner von PDS und SPD im Sachsenring-Untersuchungsausschuss, Klaus Tischendorf und Karl Nolle erklären:

„Wieder einmal zwingt die CDU-Mehrheitsfraktion die Opposition dazu, den Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen anzurufen, um sich gegen eine Verletzung von Minderheitsrechten – diesmal im Untersuchungsausschuss – zur Wehr zu setzten. Konkret geht es dabei um die vom Rechtsanwalt des ehemaligen Wirtschaftsministers Kajo Schommer beantragte Herausgabe sämtlicher Protokolle der Zeugenvernehmungen vor dem Untersuchungsausschuss, weil er diese angeblich für diverse Zivilgerichtsverfahren benötige.

Letzteres ist deshalb besonders problematisch, weil nach dem Untersuchungsausschussgesetz sowie der in diesem Fall mit heranzuziehenden Strafprozessordnung kein Zeuge detaillierte Kenntnis über die Aussagen anderer Zeugen haben darf, um den Untersuchungsauftrag nicht zu gefährden. Aus diesem Grund werden solche Protokolle nur in absoluten Ausnahmefällen weitergegeben.

Ungeachtet dessen beantragte der Schommer-Anwalt die vollständige Herausgabe aller Vernehmungsprotokolle des Ausschusses. Obwohl die Vertreter der Opposition und auch der Ausschussvorsitzende Dr. André Hahn erhebliche Bedenken gegen die Weiterleitung der Protokolle an Herrn Schommer äußerten und auch die Juristen der Landtagsverwaltung massive Zweifel anmeldeten, beschloss die CDU-Mehrheit im Ausschuss, Schommers Wunsch zu entsprechen. Der Beschluss wurde zu einem Zeitpunkt gefasst, als der Juristische Dienst auf Antrag der Opposition bereits an einem Rechtsgutachten arbeitete, in dem geklärt werden sollte, ob eine solche Entscheidung der Mehrheit eine Verletzung der Minderheitsrechte bedeute und damit womöglich verfassungswidrig sei. Die CDU-Vertreter zogen die Sache dennoch durch, ohne das Ergebnis des Gutachtens abzuwarten.

14 Tage später kam das Gutachten und gab der Opposition in allen Punkten recht. Die PDSFraktion beantragte daraufhin eine Aussetzung des Vollzugs des Mehrheitsbeschlusses durch den Vorsitzenden und eine Aufhebung der entsprechenden Beschlüsse in der nächsten Sitzung des Ausschusses, die gestern stattfand. Obwohl das Gutachten eindeutig war, lehnte die CDU eine Rücknahme des Beschlusses ab. Wem das nicht passe, der könnte ja klagen, und wenn der Vorsitzende die Herausgabe der Unterlagen nicht mit seinem Gewissen verantworten könne, könne er sein Amt ja niederlegen, so CDU-Obmann Klaus Leroff.

Angesichts dieser Ignoranz gegenüber der geltenden Rechtslage und den in der Verfassung verbrieften Minderheitenrechte ist eine Klage beim Landesverfassungsgericht unausweichlich. Um den zu befürchtenden Schaden möglichst noch abzuwenden, werden wir zugleich einen entsprechenden Eilantrag einreichen, um vorläufigen Rechtsschutz zu erlangen."

Zur Klage selbst sagt Klaus Tischendorf: „Der Arroganz der Macht, die sich permanent über Recht und Gesetz hinwegsetzt, muss endlich ein Riegel vorgeschoben werden." Karl Nolle fügt hinzu: „Die CDU will keine Aufklärung, sondern ihre Zeugen möglichst so präparieren, dass die Zweckentfremdung von Steuermitteln für Wahlkampfzwecke vertuscht werden kann."

„Deshalb", so die beiden Oppositionspolitiker, „müssen wir entschlossen handeln und sind bereit, uns gegen verfassungswidriges Verhalten der Mehrheit zur Wehr zu setzen." Die entsprechende Klage wird daher unverzüglich in Leipzig eingereicht.

Weiter erklären Tischendorf und Nolle: „Wir bedanken uns ausdrücklich beim Ausschussvorsitzenden für seine klare Position gegen eine Herausgabe der Vernehmungsprotokolle an Herrn Schommer und bestärken ihn darin, sich einem offenkundig rechtswidrigen Beschluss zu widersetzen, wohl wissend, dass der Vorsitzende grundsätzlich verpflichtet ist, die mehrheitlich getroffenen Entscheidungen des Ausschusses umzusetzen, wie absurd sie im Einzelfall auch erscheinen mögen. Der Versuch der CDU, sich wieder einmal über Recht und Gesetz hinwegzusetzen, kann, darf und wird von uns nicht hingenommen werden.

Die beabsichtigte Klage beim Verfassungsgericht muss sich aus formalen Gründen gegen den Untersuchungsausschuss, vertreten durch seinen Vorsitzenden, also Dr. André Hahn, richten, der damit de facto der Beklagte ist. Zugleich steht es dem Ausschussvorsitzenden frei – und seine Position in der Sache war ja eindeutig – in seiner Eigenschaft als Abgeordneter der PDS die Verfassungsklage wegen des Verstoßes gegen Minderheitenrechte mit zu unterzeichnen und einzubringen.

In diesem Fall wäre André Hahn Kläger und Beklagter zugleich, würde also de facto gegen sich selbst vor Gericht ziehen. Die Verantwortung für diese absurde Situation liegt einzig und allein bei der CDU, die wir hiermit auffordern, endlich zur Sacharbeit zurückzukehren und die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses nicht noch weiter zu gefährden.

Marcel Braumann, Pressesprecher der PDS-Fraktion, Tel.: 0351 / 493 5823
Andreas Beese, Pressesprecher der SPD-Fraktion, Tel.: 0351 / 493 5705