Karl Nolle, MdL

Neues Deutschland ND, 23.12.2003

Sachsenring-Untersuchung: Akten bei der CDU?

Kein Thema für das Kollektivorgan
 
Die Sachsenring-Affäre wurde durch den gestrigen Zeugen, Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU), nicht weiter erhellt. Seine Partei muss aber erklären, ob Regierungsakten wirklich in der Parteizentrale liegen.

Akten, die in der Dresdner Staatskanzlei 1998/99 zur Kampagne "Sachsen für Sachsen" geführt wurden, liegen womöglich in der Landesgeschäftsstelle der CDU. Darüber informierte Karl Nolle, SPD-Mitglied im Ausschuss, bei der gestrigen Zeugenvernehmung von Ministerpräsident und CDU-Landeschef Georg Milbradt.

Der Lagerort der Akten, den der Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion "unter Zeugen" eingeräumt haben soll, ist von Brisanz. Der Opposition zufolge hat es sich bei "Sachsen für Sachsen" um verdeckte Wahlwerbung für die Union im Landtagswahlkampf 1999 gehandelt, die indirekt aus Steuermitteln finanziert wurde. Die als Organisator der Kampagne in Erscheinung getretene Firma Sachsenring AG soll dafür erhöhte Fördermittel beim Kauf des Zentrums Mikroelektronik Dresden (ZMD) erhalten haben.

CDU und Regierung sehen die Kampagne als neutrale Imagewerbung für den Wirtschaftsstandort. Diese Ansicht bekräftigte gestern auch Milbradt, der damals Finanzminister war und den Verkauf von ZMD an Sachsenring begleitete. In Einzelheiten von "Sachsen für Sachsen" sei er jedoch nicht eingeweiht gewesen.

Dies beteuerte Milbradt in den folgenden zwei Stunden angesichts hartnäckiger Nachfragen des Ausschussvorsitzenden André Hahn (PDS) zu Details der Kampagne. Er habe keine Kenntnis von den Vorgängen gehabt, weil sich die Regierung "als Kollektivorgan" mit dem Thema nicht befasst habe.

Hahn verwies dessen ungeachtet immer wieder auf Treffen von Regierungsmitarbeitern und Kampagnenbeteiligten, zitierte ausgiebig aus Konzepten und bat Milbradt um eine Bewertung. Dieser lehnte ab: "Sie wollen statt Fakten meine Meinung hören", sagte er, "die ist aber nicht Gegenstand der Untersuchung."

Zu deren Fortschreiten hat die Anhörung des Ex-Finanzministers wenig beigetragen. Der Ausschuss, der nach Vorwürfen von Ex-Sachsenring-Manager Ulf Rittinghaus seit Februar 2003 arbeitet, hat aber bereits viel Erhellendes über die Kampagne herausgefunden.

So ist inzwischen klar, dass ein vermeintlicher Verein "Sachsen für Sachsen" nie existierte und sich außer Sachsenring kein Unternehmen beteiligte. Bei der Ausarbeitung der angeblichen Kampagne der Wirtschaft wurden frühzeitig Regierungsmitarbeiter konsultiert. In frühen Konzepten werden PDS und SPD offen als "Gegner" benannt.

Welche Rolle das Thema im anlaufenden Wahlkampf für die Landtagswahl im September 2004 spielt, ist aber offen. Ein Abschlussbericht dürfte bis zum Ende der Wahlperiode nicht mehr zustande kommen. Details, die bei Zeugenanhörungen auftauchen, könnten indes jederzeit für Brisanz sorgen – wie die gestrige Information über eine mögliche "Aktenverschleppung" zeigt.
(Von Hendrik Lasch, Dresden)