Karl Nolle, MdL

Lausitzer Rundschau, 15.11.2000

Gute Chancen für "virtuellen Kandidaten"

Seit einem Jahr geistert der Name Berghofer als möglicher
 
DRESDEN. Der "virtuelle Kandidat" hat sich noch nicht entschieden. Wenn im Juni 2001 in Sachsen die Oberbürgermeister neu gewählt werden, könnten die Dresdner einen altbekannten Namen auf den Stimmzetteln vorfinden.

Könnten, denn Wolfgang Berghofer, von 1986 bis 1990 SED-Oberbürgermeister in der Elbestadt, spricht von sich selbst als einem "virtuellen Kandidaten", er habe eine Kandidatur nie ausgeschlossen. Es sei eine vage Option, er werde sagen, wenn es so weit sei.

Einigkeit ist nötig

Seit fast einem halben Jahr geistert der Name Berghofers als Kandidat für das Oberbürgermeisteramt durch Dresden. Erste Umfragen bescheinigen dem "virtuellen Kandidaten" sogar gute Chancen. Danach käme er, je nach Kandidatenkonstellation, auf 19 bis 25 Prozent. Gegen Amtsinhaber Herbert Wagner (CDU), der mit über 30 Prozent eingeschätzt wird, ist das freilich zu wenig. Wagner ist nur zu stürzen, wenn sich alle Opposionsparteien auf einen Kandidaten einigen.

Möglichkeit in weiter Ferne

Diese Möglichkeit aber liegt in weiter Ferne, seit die SPD dabei ist, den Druckereibesitzer und Landtagsabgeordneten Karl Nolle (SPD) zu ihrem OB-Kandidaten zu machen. Er soll nach Vorstellungen der SPD ein Mitte-Links-Bündnis schmieden. Doch bei den Bündnisgrünen, insbesondere aber bei der PDS, herrscht Enttäuschung.

Zwar war den Sozialdemokraten zunächst zugebilligt worden, einen zustimmungsfähigen gemeinsamen Oppositionskandidaten zu präsentieren. Nolle aber, dessen Bekanntheitsgrad in der Dresdner Bevölkerung gegen Null tendieren dürfte, werden keine realistischen Chancen gegen Wagner eingeräumt. Tatsächlich liegt die Zustimmung zu Nolle in Umfragen knapp im einstelligen Bereich. Nun will die PDS mit den Sozialdemokraten verhandeln.

PDS-Landesvorsitzender Peter Porsch hat ihnen sogar einen Brief geschrieben. Voraussetzung sei, dass Nolle zurückgezogen werde. Das aber ist wenig wahrscheinlich, denn zwischenzeitlich hat sich die SPD-Landesvorsitzende Constanze Krehl hinter Nolle gestellt. Ein Zurück ist ohne Gesichtsverlust für die SPD kaum mehr zu machen. Für diesen Fall hält sich für die PDS die Dresdner Bundestagsabgeordnete Christine Ostrowski bereit. Einen gemeinsamen Oppositionskandidaten wird es dann nicht geben. Wagner kann sich freuen.

Für SPD nicht annehmbar

Ostrowski blutet bei diesem Gedanken das Herz. Sie schwärmt seit langem für Berghofer als Kandidat. Der aber gilt für die Sozialdemokraten als unannehmbar. Berghofer wiederum will sich nicht von der PDS ins Rennen schicken lassen, aus der er im Januar 1990 ausgetreten ist, zumal er verkündet hat, im Falle seiner Wahl in Fragen der Verwaltung und der Wirtschaft eine Politik machen zu wollen, die keinesfalls als links zu bezeichnen sein werde.

Derzeit keine Antwort

Die Frage also ist, wie und vor allem wer kann Berghofer präsentieren und wie kann die SPD bewegt werden, auf einen eigenen Kandidaten zu verzichten. Auf diese Frage gibt es derzeit keine Antwort. So kann Berghofer die Spekulationen um seine Person zunächst mit Gelassenheit genießen.

Von den reellen Kontrahenten Wagner und Nolle hält der "virtuelle Kandidat" ohnehin wenig. Was dem einen an Kompetenz fehle, habe der andere "an Dummheit zuviel". Er scheint sich sicher, es besser machen zu können, und schwärmt von den Möglichkeiten des Oberbürgermeisteramtes, die er vor 1990 nicht gehabt habe.
(von RALF HÜBNER)