Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 01.03.2004

Der Anfang vom Ende

Mehr als jeder Sechste der 120 Abgeordneten verzichtet freiwillig auf neues Mandat
 
Noch 27 Wochen bis zur Landtagswahl. Während in den Parteien der Kampf um Wahlkreise und Listenplätze tobt, planen viele Abgeordnete bereits ihren Politik-Ausstieg.

Am Sonnabend werden in der Dresdner Messehalle 1 etliche Politiker-Biografien einen Knick bekommen. Sachsens CDU, die seit 14 Jahren über die absolute Mehrheit im Landtag verfügt, will ihre Kandidaten für die neue Landesliste zur Wahl am 19. September küren. Wer sich dann von den heute 76 CDU-Parlamentariern keinen vorderen Platz erkämpft und auch über keinen aussichtsreichen Direktwahlkreis verfügt, muss sich ab Herbst einen anderen Arbeitsplatz suchen. Dieses Schicksal droht mindestens zehn der aktuellen Fraktionäre.

Gerüchte um Biedenkopfs endgültigen Abschied

Noch größer ist allerdings die Zahl derjenigen, die freiwillig das Handtuch werfen. Gleich 14 Christdemokraten – zum Teil seit 1990 im Parlament vertreten –ziehen sich zurück. Prominentester Ausscheider ist Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, der seine Partei dreimal zum Wahlsieg führte. Zwar hält sich in CDU-Kreisen hartnäckig das Gerücht, dass es der 74-Jährige noch mal als einfacher Abgeordneter versucht. So soll Biedenkopf bis zum Jahresanfang mit dem Gedanken gespielt haben. Am Sonnabend dürfte die Spekulation aber platzen. Neben ihm verlassen dann weitere Ex-Kabinettsmitglieder die Politik-Bühne – der langjährige Sozialminister Hans Geisler aus Altersgründen sowie dessen einstige Nachfolgerin Christine Weber. Die weiterhin krank geschriebene 54-Jährige zieht damit die Konsequenzen aus ihrer Skandalserie vom Vorjahr. Lücken tun sich auch in anderen Fraktionen auf. Von 14 SPD-Abgeordneten wollen vier nicht wieder kandidieren. Darunter ist mit Ex-Fraktionschef Karl-Heinz Kunckel auch Biedenkopfs langjähriger politischer Widerpart. Der 59-jährige Ingenieur aus Radebeul will aber der Medienpolitik in entsprechenden Gremien erhalten bleiben. Mit ihm gehen die Abgeordneten Peter Adler, Gudrun Klein und Gunter Lochbaum. Fraktionskollege und DGB-Landeschef Hanjo Lucassen schwankt noch.

Ruhig geht es bei der PDS zu. Von 29 Abgeordneten werden wohl nur vier freiwillig verzichten. Mit Brigitte Zschoche allerdings auch eine der Landtags-Vizepräsidenten. Ansonsten gilt, wer nicht gehen will, der kämpft. Dabei gab es wiederholt spektakuläre Coups. So muss die CDU nun den eigenen Fraktionsgeschäftsführer Klaus Leroff und auch Sachsens Ausländerbeauftragten Heiner Sandig per Landesliste „retten“. Beide waren in den Wahlkreisen gescheitert. In Sandigs Fall hatte überraschend der Riesaer Ex-OB und gescheiterte Olympia-Staatssekretär Wolfram Köhler triumphiert.

Gerüttelt wird jetzt aber auch in der SPD an eigenen Ikonen. Karl Nolle, selbst ernannter Chef-Aufklärer der Opposition, soll kein Landtagsmandat mehr erhalten. Das forderte am Wochenende zumindest die Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen im SPD-Unterbezirk Dresden. Ihr Vorwurf: Nolle betreibe nur noch eigene Publicity auf Kosten Dritter und sei deshalb für die Partei untragbar geworden.
(Von Gunnar Saft)