Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 13.03.2004

Gretchen-Frage in der SPD: Wie hältst du's mit Karl Nolle?

 
Dresden. Für die einen ist er ein "destruktiver Krümelkacker", für die anderen ein "Vorbild an Unbequemlichkeit". Karl Nolle, 59, seit 1999 SPD-Landtagsabgeordneter und nach Leipzigs OB Wolfgang Tiefensee prominentester Sozialdemokrat in Sachsen, entzweit die Partei wie kein anderer. Trug die SPD diese Querelen bislang weitgehend intern aus, kommen die Genossen im Wahljahr um eine Entscheidung über ihr Enfant terrible nicht herum: Sie müssen dieses Frühjahr klären, ob sie dem Dresdner Druckereibesitzer nach seinen scharfen Attacken gegen die CDU-Prominenz wieder einen aussichtsreichen Listenplatz geben wollen oder nicht. Das Thema Nolle steht auch heute in Leipzig bei der Parteikonferenz mit Bundesminister Manfred Stolpe an.

In Dresden sorgt die Debatte bereits seit Wochen für Zoff: SPD-Stadtchef Peer Oehler erklärte Ende Februar seinen Rückzug und garnierte den Schritt mit scharfen Angriffen: Nolle skandalisiere "ohne Rücksicht auf den Hintergrund, ohne Rücksicht auf Verluste" und neige zum "Alleingang ohne Absprache". Parteiintern macht zudem die Runde, dass Oehler auch deshalb auf das Amt verzichtet, weil dem Vizechef der Gewerkschaft der Polizei vorgeworfen wurde, eigentlich zu gute Kontakte zum "Aufklärer" zu pflegen.

Ausgerechnet die Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen (AGS) forderte nach dem Ärger den Wirtschaftspolitiker Nolle zum Verzicht auf die Kandidatur auf. Christoph Rectanus, AGS-Chef im Dresdner Unterbezirk, wirft ihm vor, zu konstruktiver politischer Arbeit nicht geeignet zu sein und "nur eigene Publicity auf Kosten Dritter" zu betreiben. Die Dresdner SPD, so Rectanus, solle Nolle nicht für einen Listenplatz ins Spiel bringen. Er sei wirtschafts- und finanzpolitisch leider ein Ausfall für die SPD, sein Wirken habe sich als abträglich erwiesen, giftete Rectanus. Andere Gegner werfen Nolle zudem vor, mit überzogenem und verletzendem Stil der Sozialdemokratie zu schaden.

Doch ebenso herzlich wie die Abneigung ist auch die Sympathie: Der Mann genießt in- und außerhalb der Partei als Kämpfer gegen schwarzen Filz hohes Ansehen. Sein "Fanclub" schwärmt, von Nolles Mut könne sich mancher Genosse noch etwas abgucken. Ob Paunsdorf-Affäre, Ablösung von Biedenkopf oder Fall der Ministerin Christine Weber - Nolle habe viel erreicht und sei für die SPD unverzichtbar. Die Genossen im Wahlkreis Dresden II wählten Nolle jedenfalls bei nur einer Enthaltung zum Direktkandidaten. Unbestritten ist mit Nolles Attacken das politische Klima in Sachsen rauer geworden. Doch unklar ist, ob sich auch eine Mehrheit der 4800 Genossen darüber freut. "Man braucht so jemanden in der dritten Reihe, auch wenn er immer nur Minderheiten ansprechen wird", beschwichtigt indes ein Dresdner Genosse.

"Ich bin nicht so beliebt, wie ich bekannt bin," weiß Nolle selbst und verteidigt seinen Stil: "Ich spiele den Wadenbeißer - und das auch im Auftrag der Fraktion." Die meisten seiner Attacken seien mit den Verantwortlichen abgesprochen - mehr als viele in der Partei wüssten, "Wir sind schließlich nicht im Parlament", so Nolle, "um Nettigkeiten auszutauschen. Dass er dabei parteiintern Rücksicht nehmen muss, habe er gelernt - in der Fraktion und bei Vorwürfen gegen Ex-Olympia-Staatssekretär Wolfram Köhler, als Nolle vorigen Herbst auf Wunsch Tiefensees und anderer Parteispitzen im Hintergrund blieb. Gestern nun stellte er eine Strafanzeige gegen Köhler. Das bisher aber alle Anzeigen gegen CDU-Größen im Sande verliefen, liege an der institutionalisierten Strafvereitelung bei sächsischen Amtsträgern durch weisungsgebundene Staatsanwälte und nicht an der Qualität der Vorwürfe.

Die Entscheidung über einen prominenten Platz auf der Landesliste treffen letztlich Fraktionschef Thomas Jurk und Parteichefin Constanze Krehl, die die SPD in den Wahlkampf führen und gestern in Dresden unterstützt vom designierten SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter 80 Vertretern der Basis das Wahlprogramm präsentierten. Jurk hat sich nach manchem Ärger inzwischen mit Nolle arrangiert, auch sein eigener Ton ist oft angriffslustiger geworden. "Opposition ist die Kontrolle von Macht", sagt Jurk. "Diesem Auftrag wird Nolle gerecht, auch wenn es mal Fehler gab." Die beiden hätten sich aufeinander zu bewegt, heißt es in der Fraktion.

Sogar die Vorsitzende Krehl gibt sich versöhnlich, obwohl Nolle ihr noch im Januar Stasi-Methoden vorwarf und ihren Rücktritt forderte: "Ich habe das Gespräch gesucht und seither hat er sich sehr korrekt verhalten." Auch wenn Nolle oft über das Ziel hinausschieße oder sich instrumentalisieren lasse, sei es sein Verdienst, dass sich die CDU nicht mehr in Sicherheit wiege. Ob er aber wieder einen Platz im Parlament bekommt, dazu äußert sich Krehl weder intern noch öffentlich.
(Sven Heitkamp)