Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, Seite 3, 21.03.2004

Affäre SachsenLB: Das große Rendite-Dilemma

Hollywood, Sothebys, Kreuzfahrtschiffe, israelische Biotechnologie: Die hiesisige Landesbank in Leipzig macht viel Geschäft im Ausland – das Risiko tragen allein die Sachsen.
 
Große Autos und Frauen-Geschichten. Edle Hobbys und ferne Dienstreisen. Einstweilige Verfügungen und Gerichtsprozesse. Die Schlagzeilen der vergangenen Wochen waren nicht gut für die Landesbank Sachsen Girozentrale, kurz Sachsen LB. Die finanzielle Visitenkarte des Freistaats scheint im Fegefeuer ihrer Eitelkeiten zu verbrennen.

Dabei ist die Bank im Zentrum von Leipzig sehr wichtig: Sie muss das Kapital zum Nutzen ihrer Eigentümer mehren, also das von Freistaat, Kommunen und Sparkassen. Die Öffentlichkeit nimmt derzeit aber davon kaum noch Notiz. „Da geht's ja zu wie in einem Hollywood Film", kommentiert die jüngsten Affären verärgert ein Mitglied aus dem Kontrollgremium der Bank.

Gar nicht so schlecht, diese Einschätzung. Zwar haben die drei Vorstände der Bank noch kein Rollenangebot der US-Filmfabrik erhalten - wohl aber haben sie drei ihrer Kinostreifen mitfinanziert. Auch in der Firmenzentrale des Kunst-Auktionshauses Sothebys in Manhattan steckt viel sächsisches Geld. Der Computerriese IBM sitzt in einer Florida-Immobilie mit Sachsen-Millionen. Spuren sächsischen Kapitals finden sich in Bürohäusern in Amsterdam und Utrecht, in Wien und Prag. Auch Windparks in Niedersachsen und Hessen profitieren vom Sachsen-Geld. Israelische und US-Biotechnologie-Firmen leben mit Leipziger Risikokapital - und konkurrieren damit gegen sächsische Biotechnologiezentren.

80 Prozent ihres Geschäfts macht die Sachsen LB außerhalb der Landesgrenzen. Die überregionalen Aktivitäten seien notwendig, "um im Rahmen der Strukturentwicklung auch regional Nutzen stiften zu können", teilt die Bank mit. Stimmt. Alle deutschen Landesbanken sind international engagiert. Allerdings wird der Großteil der Geschäfte in der Regel vom Stammsitz in der Heimat aus gesteuert. Bei der Sachsen LB ist das anders.

Ihre größten Geschäfte machen Manager, die in München, Düsseldorf oder Dublin sitzen. Sie fühlen sich dennoch wohl in einem Konzern mit fast 700 Mitarbeitern, der nach 14-jähriger Existenz bereits an 125 Unternehmen beteiligt ist.

Die Reinländer

Im Juni kommt ein neuer Film mit US-Star Meg Ryan in die deutschen Kinos. In "Against the Ropes" spielt Ryan eine knallharte Box-Managerin. Den Streifen hat die Sachsen LB finanziert. Mit 47 Millionen Euro. Über ihre Düsseldorfer Tochter East Merchant, was so viel heißt wie "Ost-Händler". Vor vier Jahren noch waren das "West-Händler", denn damals hieß die Firma noch West Merchant und war eine Tochter der Westdeutschen Landesbank. Dort hatte Michael Weiss - seit 1992 an der Spitze der Sachsen LB – zwölf Karriere-Jahre verbracht. Als sein früherer Arbeitgeber die West Merchant Ende 1999 abwickelte, schlug die Sachsen LB zu. Sie erwarb zwei Drittel der Firma, den Rest erhielten die ehemaligen West-Landesbanker Gert Staal und Dietrich Zanger.

Die beiden und ihre 14 Mitarbeiter überwiesen bis Ende 2002 gut 24 Millionen Euro nach Leipzig. Als Mitgesellschafter und Chefs von East Merchant haben Staal und Zanger kräftig mitverdient. Für die Sachsen LB ist das offiziell kein Thema: Das Modell, das Management "unmittelbar leistungsbezogen am Geschäftserfolg partizipieren zu lassen", habe sich bewährt.

East Merchant strickt nicht nur Finanzierungen für Hollywood-Filme, Kreuzfahrtschiffe und Flugzeuge. Den Löwenanteil machen US-Lease-Geschäfte aus. Das ist ein Finanzprodukt, um das es auch in der sächsischen Landesregierung lange Streit gab. Bei diesem Geschäft vermietet eine Kommune zum Beispiel ihre Straßenbahnen - wie Dresden – auf 99 Jahre an einen US-Investor. Dann mietet die Kommune die Bahnen sofort für viele Jahre zurück. Der US-Partner zahlt die Miete im Voraus, die Stadt füllt mit dem Geldsegen ihre klammen Kassen. Der US-Partner wiederum setzt die Mietzahlung von seiner Steuer ab. Die Gefahr: Dieser inzwischen sehr wichtige Geschäftszweig der Sachsen LB bricht zusammen wie ein Kartenhaus, sollte das US-Parlament beschließen, das Steuerschlupfloch abzudichten.

Die Bayern

Ein Schlupfloch suchte Ende 1999 auch das Kernteam der Immobilienfonds-Tochter der Bayerischen Beamtenversicherung, die BBVI. Die war zum Auslöser des bis dato größten Schmiergeld-Skandals der Bundesrepublik geworden. An dessen Ende stand der Sturz von Ex-Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD), das Aus für den Boss der Beamtenversicherung und ein mehrjähriger Gefängnisaufenthalt für den damaligen BBVI-Chef. Dessen einst wichtigste Mitarbeiter kamen Anfang 2000 bei der Sachsen LB unter, die heutige Sachsen-FondsGruppe mit inzwischen 55 Mitarbeitern. Ihr Sitz ist in Haar bei München. Ein Umzug nach Leipzig steht nicht zur Diskussion. Die SachsenLB: „Die Teammitglieder haben ihren Lebensmittelpunkt in München und nutzen dort überdies ihre guten geschäftlichen Kontakte."

In nur vier, Jahren katapultierte sich die Sachsen-Fonds-Gruppe auf Rang sieben der deutschen Anbieter für geschlossene Immobilienfonds. Nach Angaben der Fachzeitung „Der Immobilienbrief" flossen bis Ende 2003 fast 365 Millionen Euro in Fonds zur Finanzierung von Büro- und Geschäftshäusern, darunter auch in die Zentrale des Auktionshauses Sothebys in New York. Derzeit investiert Sachsen-Fonds in den Bau des Technologiegebäudes -„Campus M" in München und in das neue Luxushotel der Maritim-Kette in Berlin. Private Anleger können sich ab 100.00 Euro beteiligen.

Wichtig ist, sagen die Bayern, dass sie beim Verkauf der Fondsanteile auf das Vertriebsnetz der Sparkassen und Landesbanken zurückgreifen. Merkwürdig nur, dass in den Internet-Auftritten der 21 sächsischen Sparkassen die Fonds der Bayern nicht beworben werden. Die Offerten finden sich stattdessen bei Firmen wie der Münchner Demark AG oder beim Ehepaar de Levie in Hartenstein bei Hof. Die Sachsen LB hingegen behauptet, die Fonds würden sehr wohl über Sachsens Sparkassen vertrieben, schränkt aber ein: Die Entscheidung darüber obliege der jeweiligen Sparkasse.

Dass Bayern nicht immer zuverlässige Geschäftspartner sind, erfährt die Landesbank derzeit selbst sehr schmerzlich: an ihrer Leasing-Tochter MDL. An dieser ist auch Ludwig Hausbacher beteiligt, der von Sachsens ehemaligem Regierungschef Kurt Biedenkopf .(CDU) empfohlen worden sein soll. Die Landesbank dementiert diesen Kontakt ausdrücklich nicht. Doch das gemeinsame Geschäft lief nicht wie erhofft: Gut 20 Millionen Euro kostete die MDL der Sachsen LB. Vorstandschef Weiss und Hausbacher - laut Frankfurter Allgemeine Zeitung" ein Patenkind Biedenkopfs - bezichtigen sich derweil in der Öffentlichkeit gegenseitig des Missmanagements und liegen vor Gericht im Clinch.

DIE IREN

Fernab der Heimat, in Dublin, hat die Landesbank seit 2000 ihre bislang gewinnträchtigste Tochter sitzen. Die Sachsen LB Europe plc. überwies bislang mehr als 50 Millionen Euro nach Leipzig. Die Iren zahlen wenig Steuern und nutzen ihre Kontakte zum internationalen Finanzmarkt, um die Landesbank günstig mit Geld zu versorgen.

Interne Kritiker der Geschäfte in Dublin bezweifeln aber, dass die Risiken im Wertpapierbestand ordnungsgemäß erfasst sind. „Diese Behauptung können wir nicht nachvollziehen", antwortet darauf die Zentrale in Leipzig. Wertverluste seien 2003 bei der Irland-Tochter nicht entstanden, da sie nur sehr erstklassige Papiere in ihrem Bestand halte. Die Macher in Dublin gehören somit zu den eher gut bezahlten Konzern-Mitarbeitern. Die durchschnittlich 33 Beschäftigten kamen 2003 im Mittel auf ein Monatsgehalt von 10.800 Euro. Das siebenköpfige, Direktorium der IrlandTochter, unter anderem mit Weiss, dessen Vorstandskollege Rainer Fuchs und Dresdens Sparkassenchef Herbert Süß, kassierte laut Geschäftsbericht 2003 durchschnittlich 140.000 Euro pro Kopf. Kommt da noch mehr?

Im Januar dieses Jahres überwies die Landesbank 100 Millionen Euro an eine neue Vermögensverwaltungsgesellschaft in Dublin, an der sie nach eigenen Angaben nicht beteiligt ist.

Nach SZ-Informationen gehört die neue Firma den drei führenden Köpfen der Sachsen-LB-Europe sowie der Lebensgefährtin von einem der drei Herren. Und diese vier verbindet wiederum ein guter Draht zu Sachsen-LB-Vorstand Fuchs, der für die Geschäfte in Irland die erantwortung trägt.

„Vermögen von Duz-Freunden verwalten zu lassen, sei schon eine extrem ungewöhnliche Konstruktion", sagt ein Organisationsexperte einer großen deutschen Privatbank. Die Sachsen LB teilt dazu mit, sie bediene sich bei ihrer Vermögensverwaltung verschiedener Manager. Der Anlageerfolg der neuen Gesellschaft in Dublin liege "deutlich über Plan".

Was nicht verwundert. Denn die Renditevorgabe liegt nach SZ-Informationen bei nur 4,5 Prozent. Das ist so viel, wie eine normale Bundesanleihe abwirft. Die Teilhaber der neuen Anlagegesellschaft in Dublin kassieren jedenfalls gut: Sie dürfen sich nach SZ-Informationen ertragsunabhängig eine Verwaltungsgebühr von zwei Millionen Euro teilen. Zudem strichen sie 30 Prozent vom Gewinn der Gesellschaft ein, wenn die Renditevorgabe von 4,5 Prozent überschritten wird, heißt es aus Kreisen der Sachsen LB. Bislang hat deren Vorstand die Geschichte der Irland-Tochter immer als Erfolg verkauft. Aber das hat er auch mit anderen seiner Lieblingsprojekte gemacht. Nahezu alle von ihm unterstützten Finanzdienstleistungstöchter wie Publity, Virbus oder Ipontix verbrannten letztendlich Millionen.

Auch sein jüngstes Kind, die 2002 gegründete Setisbank, droht ein Reinfall zu werden.

Wer weiß, vielleicht kommt ja doch bald ein rettender Anruf aus Hollywood.
(von Ulrich Wolf)


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LANDESBANKEN

Als Hausbanken der Bundesländer sollen die Landesbanken öffentliche Aufgaben erfüllen und sich für die Entwicklung der jeweiligen Region einsetzen. Sie sind dem Gemeinwohl verpflichtet.

Steuerzahler haften für Geschäfte, da die Landesbanken den entsprechenden Bundesländern und Sparkassenverbänden gehören, Auf kommunaler Ebene bieten Sparkassen Finanzdienstleistungen für jedermann. Die Landesbanken kümmern sich um große, komplizierte Projekte und das überregionale Finanzgeschäft, nicht um Privatkunden. (sek)

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STREITEREIEN UND AFFÄREN DER SACHSEN LB

1995: Prüfer des Rechnungshofs und des Finanzministeriums monieren überhöhte Provisionen und undurchsichtige Beraterverträge bei der Vermarktung von GUS-Immobilien durch die Sachsen LB. Die Staatsanwaltschaft leitet später Vorermittlungen gegen Vorstandschef Michael Weiss ein - ohne Ergebnis.

1996: Vorstand Dieter Schell hat angeblich seine Leipziger Wohnung von einem Büroausstatter und Geschäftskunden der LB zum Spottpreis luxuriös einrichten lassen. Scheu nimmt „aus persönlichen Gründen” seinen Hut

1997: Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) gibt der Sachsen LB eine Mitschuld am Konkurs der Lippendorfer Werkstoff-Union GmbH.

1999: Der Rechnungshof rügt die “Mittelverschwendung in Millionenhöhe" bei der Entwicklung und Vermarktung des Leipziger Güterverkehrszentrums durch die Sachsen LB.

2001: Vorstand Dieter Burgmer muss nach nur 15 Monaten gehen. Er nimmt eine Millionen-Abfindung mit.

2002: Offener Streit um dle neue Strategie der Sachsen-Bank bricht aus. Vorstand Eckhard Laible scheidet aus.

2003: Vorstand Hans-Jürgen Klumpp soll seiner Freundin seinen Dienstwagen samt Chauffeur zur Verfügung gestellt haben, behauptet der Pirnaer CDU-Landtagsabgeordnete Klaus Leroff.

2004: Weiss muss sich gegen Vorwürfe wehren, er fahre einen zu großen Dienstwagen. Gleichzeitig soll er die Karriere seiner Lebensgefährtin in der Bank persönlich gefördert haben. Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft ergeben: Weiss hat private und dienstliche Interessen nicht verquickt.
(SZ/uwo)