Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 24.03.2004
Pilz-Affäre: Opposition mit schweren Attacken
Dresden. In der Mittagspause saßen die beiden Kritisierten erstmal ein halbes Stündchen leicht lädiert in der Landtagskantine. Eben noch hatten sich Innenminister Horst Rasch (CDU) und Landespolizeipräsident Eberhard Pilz in einer Sondersitzung des Innenausschusses unangenehmen Fragen stellen müssen, es ging um Unregelmäßigkeiten im Ressort und mangelnde Führungsstärke. Da sollte wenigstens das Mittagessen schmecken - soweit das geht in einer akuten Krise.
Dass es sich genau um eine solche dreht, machte kurze Zeit später die Opposition klar. PDS wie SPD fuhren schweres Geschütz auf. Erst stellten die Linkssozialisten einen Antrag auf Amtsenthebung von Rasch. Begründung: Der Minister habe sein Ressort nicht im Griff. Dann erklärte die SPD, sie wolle Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) das Misstrauen aussprechen - weil er die Pilz-Affäre auszusitzen versuche. Beides dürfte in Kürze den Landtag per Sondersitzung beschäftigen.
An einem Punkt freilich meldete die Staatsregierung gestern überraschend Vollzug. So wird der bisherige Zentralabteilungsleiter des Innenressorts, Bernd Groh, vergesetzt. Der dritte Mann im Ministerium soll künftig im Umweltressort arbeiten. Gegen Groh sowie zwei hohe Beamte aus der Landespolizeischule wurde Strafanzeige gestellt - von einem Mitarbeiter der Schule selbst.
Dem innenpolitischen Sprecher der PDS-Fraktion, Steffen Tippach, ist das nicht genug. "Der Fisch stinkt vom Kopf", sagte er gestern am Rande der Innenausschusssitzung. Er sei entsetzt über die "Ahnungs- und Hilflosigkeit" von Rasch, der die Lage in der Polizei als positiv bewerte, während erhebliche Unruhe herrsche. Letztlich sei das Ministerium nicht mehr handlungsfähig.
Das wollte Regierungssprecher Christian Striefler nicht stehen lassen - nicht zuletzt wegen der SPD-Attacke auf seinen Chef Milbradt. Es sei geradezu ein Zeichen von "Führungsstärke", wenn sich der Ministerpräsident "dem öffentlichen Meinungsdruck widersetzt", meinte der Sprecher. Milbradt werde "einen Menschen nicht wegen anonymer und bisher substanzloser Vorwürfe verurteilen" - auch nicht Pilz.
Dem Polizeiführer wird unter anderem die private Nutzung des Dienstwagens, sexuelle Belästigung von Kolleginnen sowie Untreue und Alkoholmissbrauch vorgeworfen. Und genau hier schwelt die Affäre weiter. Für Rätselraten sorgte vor allem eine eidesstattliche Versicherung eines Ministeriumsmitarbeiters, die Groh-Anwalt Mark Hirschmann nach eigener Aussage vorliegt, zu der er sich aber nicht äußern will. Diese soll sich um den Dienstwagen drehen und Pilz belasten -unklar allerdings ist, wie sehr.
(Sven Heitkamp und Jürgen Kochinke)