Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, Seite 4, 27.03.2004

Die Ställe des Augias: Wer übernimmt in Sachsen die Herkules-Aufgaben?

Leitartikel von Dieter Soika
 
Der erste Supermann der Weltgeschichte hieß Herkules. Zwölf Aufgaben hatte der Halbgott zu erfüllen. Kämpfen, niederringen, erbeuten und jagen musste er. Die neunköpfige Hydra, menschenfressende Rosse, einen dreileibigen Riesen, den Zerberus und den Minotaurus forderte er heraus. Doch manchmal reichten selbst seine übermenschlichen Kräfte nicht, zum Beispiel, um die Ställe des Königs Augias auszumisten. Erst als Herkules einen Fluss umleitete, riss dessen Strömung den ganzen Unrat und Dreck weg, der sich über Jahre angesammelt hatte.

In der Mythologie steht die Flut für Beides: Zerstörung und Säuberung, Ende und Neuanfang, Untergehen und Uberleben. Politisch und menschlich setzte das große Wasser immer wieder ungeahnte Kräfte frei. Helmut Schmidt beispielsweise rettete Hamburg, Matthias Platzeck kämpfte auf den Oder-Deichen und eine riesige Solidarität schweißte die Bürger in Sachsen zusammen. Jedermann kann sich, wenn er Mut und Zuversicht zeigt, auch den scheinbar unlösbaren Aufgaben stellen.

Angesichts solcher Vorbilder werden dann um so schmerzlicher Verzagen und Versagen empfunden. In der Stunde der Not der sächsischen Flut hätte sich der damals neue Innenminister Horst Rasch erstmals bewähren müssen. Doch die Katastrophe wurde katastrophal gemanagt. Seitdem wird Rasch den Makel der Uberforderung nicht mehr los.

Schwache Figuren umgeben sich mit noch schwächeren. So fanden der Minister und sein Polizeichef zwangsläufig zueinander. Rasch und Pilz klammem sich wie zwei angeschlagene Boxer aneinander, stützen und halten sich gegenseitig, um irgendwie über die Runden zu kommen. Doch der rettende Schlussgong fällt erst am Wahltag im September. Eine schier endlos lange Zeit, weil die für die Innere Sicherheit verantwortliche politische und polizeiliche Führung unfassbar mit sich selber beschäftigt ist.

Diesen betrüblichen Tatbestand kann man nur noch ein Sicherheitsrisiko nennen. Ausgerechnet jetzt, wo der Terror brutal nach Europa greift und wo sich die Grenzen auch für die Kriminalität öffnen, kümmert sich Sachsens Polizeichef hingebungsvoll um seine Nebeneinkünfte als Versicherungsvertreter und lässt es der Innenminister zu, dass 2.000 Polizistenstellen einfach weggespart werden. Statt mehr Polizisten einzustellen, mehr Streifenwagen anzuschaffen und mehr Wachen rund um die Uhr zu besetzen, droht die Polizei in einem regelrechten Reformwahn schwersten Schaden zu nehmen.

Kritik an dieser Unsicherheitspolitik darf natürlich nicht geäußert werden. Wer es im Ministerium oder im Polizeiapparat dennoch wagt, den Mund auf zu machen, muss auf alles gefasst sein.

Schwache Figuren umgeben sich mit noch schwächeren.

Die Versuche, Kritiker zum Schweigen zu bringen, beschränken sich nicht mehr nur auf die unmittelbar Betroffenen im politischen und polizeilichen System. In den vergangenen Tagen haben Journalisten und Redaktionen in Sachsen Post erhalten. Von einem neuen Anwalt des angeschlagenen Polizeipräsidenten Pilz. Dieser verlangt von den Medien, sie sollten bestimmte Dinge, die Pilz belasten, nicht mehr berichten. Sonst müssen sie sich auf einstweilige Verfügungen und Prozesse einstellen.

Ein aus vergleichbaren Affären bekannter Einschüchterungsversuch. Der im übrigen für Rasch und Pilz zum Bumerang werden könnte. Denn über diesen so genannten Promi-Anwalt heißt es in Dresden, er habe Stundensätze von bis zu 400 Euro und er werde bezahlt vom sächsischen Finanzministerium. Also vom Steuerzahler.

Nicht nur in den Ställen des Königs Augias türmte sich der Mist bis zur Decke. Wer wird sich in Sachsen an die Herkules-Aufgabe wagen?