Karl Nolle, MdL
Pressemitteilung, 10.12.1999
"Power für den Mittelstand"
Rede von Karl Nolle im Sächsischen Landtag
Sehr geehrte Damen und Herren, die vorgetragenen Exportzahlen sind in der Tat recht schön anzuschauen auch die überzeugend hohen Wachstumsraten will ich nicht bestreiten. Aber ich habe dazu einige Fragen:
1.) Die Bundesrepublik hat 1998 Waren im Wert von 950 Milliarden Mark exportiert. Wie hoch ist wohl Sachsens Anteil? 1,6 Prozent bei einem Bevölkerungsanteil von 5,3 Prozent! Mit anderen Worten: Sachsen ist noch weit vom Bundesdurchschnitt entfernt. Denn, wen wundert es, das Ausgangsniveau der sächsischen Außenhandelszahlen war sehr niedrig. Das kann auch nicht sein. Von niedrigen Basis aus hohe Wachstumsraten zu erzielen, ist - naturgemäß nicht schwer - das wusste auch schon der berühmte Genosse Ceaucescu, der die realsozialistische Welt ständig mit Wachstumsraten überzeugen wollte, damals in treuer Begleitung von Panflöten, CDU-Blockflöten und SED-Schalmeien, wie das eben so war. Also, wir sollten auf dem Teppich bleiben und uns nicht Selbstzufriedenheit einreden.
2.) Wohin exportieren wir? Die traditionellen Austauschbeziehungen Sachsens, wir haben es schon oft gehört, bestehen und bestanden nach Ost- und Ostmitteleuropa. Die Warenströme dorthin sind Anfang der 1990er Jahre unterbrochen - im übrigen waren sie auch schon früher rückläufig, aufgrund der verfehlten Politik ihrer Lichtgestalten, von DDR-Partei- und Staatsführung, liebe PDS-Kollegen. Trotzdem ist es vielen Unternehmen in den letzten Jahren gelungen, auf den Märkten in Polen, Tschechien, Russland und anderswo wieder Fuß zu fassen. Die Beziehungen sind noch ausbaufähig. Hier brauchen wir großen Mut und enorme Risikobereitschaft - viele Unternehmen sind dazu bereit, diese Staatsregierung ist es nur ungenügend. Es geht um die Unterstützung von kleinen mittleren Unternehmen bei: - der Kontaktaufnahme und Einbindung in Liefer- und Absatznetzwerke, - der Vermittlung von Management- und Marketing-Know-how, bei Forschung und Entwicklung. - der Absicherung von Geschäften über Bürgerschaften - und generell um die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen.
Ein Beispiel: Es gibt eine traditionelle mittelständische Eisengießerei nahe Weißwasser, mit einigen hundert Beschäftigten, die bei vollen Auftragsbüchern, von russischen Exportaufträgen, keinen mutigen Partner in Sachsen finden, der, mindestens teilweise, ihren Export von Hydranten und Spezialgussteilen für Wasserversorgung, durch Bürgerschaften stützt. Wie gesagt: Aufträge sind da und trotzdem sind dort die Arbeitsplätze akut gefährdet. Es ist doch allemal besser, wirksamer und notwendig dazu, staatliche Gelder als Darlehn oder als Bürgerschaften auszureichen, als Fördermittelgeschenke in bar zu machen. Damit begegnen wir auch der kontraproduktiven Bankenpolitik, die nach Pech und Unfähigkeit, an dritter Stelle für die Kapitalvernichtung durch Konkurs mittelständischer Unternehmen in Sachsen stehen.
3) Wer exportiert eigentlich in Sachsen? Der Bäckermeister, der Elektromeister, der Malermeister, der Schlossermeister, der Tischlermeister, der Bauunternehmer....? Ist es nicht so, dass vor allem die großen Unternehmen exportieren? Nicht das dies schlecht wäre. Aber wo wären wir, wenn wir nicht AMD, Siemens oder VW hier hätten? Die Mehrzahl der sächsischen Unternehmen sind klein, haben selten mehr als 50 Beschäftigte - dies sind die eigentlichen Helden der sächsischen Wirtschaft - denen müssen wir uns zuwenden, denen müssen wir helfen. Und wie viele dieser Unternehmen exportieren, werden jemals exportieren? Leider viel zu wenige. Hier zeigt sich auch die Schräglage der sächsischen Wirtschaftspolitik, unseres immer smarten und freundlichen Ministers Schommer - der sächsischen Jutta Dittfurth der Marktwirtschaft. Diese Politik hat einzig darauf gesetzt, einige wenige Großunternehmen ins Land zu holen, in der Hoffnung, die würden es schon richten.
Aber für die Wirtschaftspolitik in Sachsen reichen Familienbande zu Multimillionären und Milliardären, vom Chiemsee aus geknüpft, für die Zukunft nicht mehr aus. Und was kommt, wenn der Professor geht und beginnt seine Memoiren zu schreiben? Zugegeben: Es gibt auch Sekundäreffekte bei den Leuchttürmen. Aber sie müssen eben ergänzt werden durch Lichterketten und Lichtermeer um sie herum und in den entfernten Regionen. Und genau daran sind Sie bislang gescheitert, werte CDU-Kollegen. Das, verehrter Herr Beyer, als leider inzwischen ehemaliger CDU-Vize-Wirtschaftssprecher, warfen Ihnen sächsische Kreishandwerkerschaften im Wahlkampf, zum Beispiel in Chemnitz am 18. September dieses Jahres vor. Eine wirkliche Mittelstandspolitik hat die CDU in den letzten zehn Jahren in Sachsen und 16 Jahren in Bonn - trotz aller Beteuerungen - nicht konsequent gemacht. Übrigens eine interessante Diskussion, die ich auch im Wirtschaftsrat der CDU in Leipzig am 3. Juni dieses Jahres miterlebt habe. Und das sind Vorhaltungen, Herr Lämmel, die Sie sich auch im Wahlkampf anhören mussten. Sächsische Aufträge für sächsische Unternehmen, das müssen wir machen!
Power für den Mittelstand! Die Philosophie der Großunternehmen - wie sie die CDU praktiziert - ist das Denken 70er Jahre und kein Ansatz, mit dem man im Osten in den 90ern und - wie es wohl bald heißen wird - in den "Nuller Jahren" Politik machen kann.