Karl Nolle, MdL

Frankfurter Rundschau, 03.04.2004

Erst Schlammschlacht, dann Redeschlacht

Sachsens PDS/SPD-Opposition scheitert bei der Abwahl des CDU-Innenministers / Wahlkampfgetöse
 
Sachsens Innenminister Horst Rasch (CDU) bleibt im Amt. Auf einer Sondersitzung des Dresdner Landtags am Freitag setzte sich die CDU-Fraktion durch und stützte den Parteifreund, der wegen einer Schlammschlacht unter hohen sächsischen Polizisten in die Bredouille geraten war.

Dresden · 2. April · Horst Rasch verließ gegen 13 Uhr den Landtag, selig lächelnd, mit federndem Schritt. Die Sonne lachte, und er war noch im Amt. Die CDU-Fraktion hatte sich bei einer Abstimmung hinter den 50-jährigen Politiker gestellt, Ministerpräsident Georg Milbradt seinen Kollegen in Schutz genommen. Die Prügel der Opposition waren überstanden.

Die SPD und die PDS hatten mit der Sondersitzung eine Redeschlacht angezettelt, die zwar drei Stunden dauern, aber auf weiten Strecken so niveauarm verlaufen sollte wie die Schlammschlacht, die seit Wochen in einigen sächsischen Zeitungen um angebliche Verfehlungen des Polizeipräsidenten Eberhard Pilz geführt wird.

Die begann damit, dass der 59-jährige Pilz ein Jahr vor seiner Pensionierung beauftragt wurde, die Polizeipräsidien abzuschaffen und die Zahl der Direktionen zu verkleinern. Das gab natürlich Ärger, der irgendwie seinen Weg in die Regional- und Boulevardzeitungen machte: Dort stand dann, der Polizeipräsident habe Polizistinnen sexuell belästigt, gesoffen und Mitarbeiter zu Privatarbeiten herangezogen. Und kurze Zeit später stand dann über einen der vermeintlichen Drahtzieher gegen den Polizeipräsidenten in einer Zeitung, er habe es mit Polizisten getrieben. Es gab zwei Durchsuchungen in der Bautzener Polizeischule, dessen Leiter mittlerweile gefeuert wurde. Und es gibt Vorermittlungen gegen den Polizeipräsidenten. Mehr nicht. Pilz hat die Vorwürfe stets bestritten, und es sieht auch so aus, als sei an den meisten Anschuldigungen nichts dran.

Die Opposition nutzte die Sondersitzung - viereinhalb Monate vor der Landtagswahl - zu einer Abrechnung mit der Regierung Milbradt, wobei nichts ausgespart wurde: von sinkender Kaufkraft der Sachsen bis zu den Ikea-Rabatten des Vorgängers Kurt Biedenkopf. Besonders als der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Jurk auf Milbradt eindrosch ("pingeliger Erbsenzähler"), wirkte Milbradt, als kochte er vor Wut. Er sieht vor allem die SPD-Fraktion als treibende Kraft hinter der Schlammschlacht. Er keilte heftig zurück und traf den Nerv der sächsischen SPD, die durchaus berechtigte Angst, bei der Landtagswahl im September die Zehn-Prozent-Marke zu unterschreiten. "Sie befürchten, in den einstelligen Bereich abzurutschen, und machen jetzt Klamauk", schimpfte Milbradt - ein Vorwurf, der von einigen SPD-Abgeordneten geteilt wird.

Dabei muss Milbradt die Opposition nicht fürchten. Nach Umfragen liegt die CDU mit 57 Prozent 45 Prozentpunkte vor der SPD und 35 Punkte vor der PDS. Es geht darum, heißt es in der CDU, Kurt Biedenkopf zu schlagen, den Vorgänger, der dreimal die absolute Mehrheit holte. Wer ihn wie Milbradt im April 2002 aus dem Amt drängte, müsse zeigen, dass er es besser kann. Was erklären würde, warum Milbradt so böse ist auf die SPD, der es gelungen ist, der Union das wichtige Wahlkampfthema "Innere Sicherheit" kaputtzumachen.
(von Bernhard Honnigfort)


Sächsische Verhältnisse

In Sachsen regiert die CDU seit 1990 allein und wird es auch nach der Wahl im September tun. Es wäre eine Sensation, wenn es anders käme. In allen anderen ostdeutschen Ländern wechselten seit der Wende Regierungen oder es gab Koalitionen - nur in Sachsen nicht. Kurt Biedenkopf gewann die Wahlen 1990, 1994 und 1999 mit Resultaten zwischen 53 und 58 Prozent, während die SPD Alptraumergebnisse einfuhr und von 19 auf zehn Prozent abstieg. Im September fordern Thomas Jurk (SPD) und Peter Porsch (PDS) Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) heraus. bho