Karl Nolle, MdL

Frankfurter Rundschau, 07.04.2004

Dein Freund, der Ministerpräsident

Sachsens CDU-Regierungschef Milbradt greift einer Journalistin, auch in der Partei, unter die Arme
 
Als Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) noch Finanzminister unter Kurt Biedenkopf war, hatte er den Ruf, ein eisenharter Sparer zu sein, der sich lieber eine Holzschraube ins Knie drehen ließe als öffentliches Geld zu verschwenden. Milbradt gilt heute noch als Knauser, doch leidet sein Ruf beträchtlich, seit kürzlich bekannt geworden ist, dass er auch mal die Spendierhosen anzieht. In diesem Fall für eine Bekannte namens Birgit von Derschau.

Die freie Journalistin, angeblich CDU-Mitglied und 2002 kurze Zeit Milbradts Lieblingskandidatin für den Posten des Regierungssprechers gewesen, ist dem MDR-Publikum bekannt geworden als Moderatorin der Fahndungssendung Kripo live.

Am 26. Juni 2002 hatte sie Milbradt einen Bettelbrief geschrieben. Sie wollte Geld. In dem zweiseitigen Schreiben verwies sie auf ein gemeinsames Gespräch beim CDU-Sommerfest auf Schloss Wackerbarth und auf ihre Beratertätigkeit für das Dresdner Innenministerium in den Jahren 2000 und 2001. Dann kam sie schnell zur Sache: Sie wollte eine "Anschubfinanzierung" für eine Fernsehreihe zur Kriminalprävention für Kinder, Titel: Sherlock. Das Dresdner Innenministerium, beklagte sie sich, wolle entgegen den signalisierten Absichten kein Geld bereitstellen, und nun stünde sie vor der Frage, aufzugeben oder von vorn zu beginnen. Dann verwies die geschäftstüchtige Dame noch auf das schreckliche Ereignis im Erfurter Gutenberg-Gymnasium und teilte dem Ministerpräsidenten mit, dass die Medien in ihrer Verantwortung und Wirksamkeit neu gefordert seien.

Das reichte. Milbradt, einst "Georg, der Geizige" genannt, schlüpfte in seine Spendierhosen und kritzelte "bitte positive Antwort" über das zweiseitige Schreiben. Von Derschau bekam ihre "Anschubfinanzierung für die erste konzeptionelle Phase", insgesamt 60 000 Euro, letzte Tranche laut Staatskanzlei im Januar 2004 überwiesen. Das Geld ist geflossen, was Sherlock macht, weiß kein Mensch. Angeblich soll 2005 gesendet werden, aber der MDR weiß von nichts. Von Sendeterminen keine Rede, auch ein Konzept kennt niemand. "Das ist nicht unbedingt das Thema, das uns auf den Nägeln brennt", sagt ein Sprecher.

Mittlerweile sorgt Milbradts Ausflug in die Filmbranche für Ärger im Lande Sachsen, ein halbes Jahr vor der Landtagswahl. Bei der Opposition bezweifelt man, ob es überhaupt ein richtiges Konzept gibt, irgend etwas Greifbares, das mit 60 000 Euro angeschoben wurde. Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle nennt das Ganze ein "verdecktes Sponsoring für eine CDU-Freundin, welche auch noch die Lieblingsjournalistin des Ministerpräsidenten ist".

Es könne nicht angehen, dass der Steuerzahler eine Sendung finanziere, deren einziges Anliegen es sei, den Freistaat in der Öffentlichkeit gut aussehen zu lassen. Das gefährde die neutrale Berichterstattung, schimpft der SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Jurk und erinnert an die traurigen Erfahrungen mit dem DDR-Staatsfernsehen. Die Landesregierung sieht bei all dem keine Probleme. "Wir können die Aufregung nicht nachvollziehen", heißt es in der Staatskanzlei.
(von Bernhard Honnigfort)