Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 05.05.2004
Millionen für Personal statt Bildung
Verdacht auf Subventionsbetrug sorgt für politischen Wirbel und könnte die Regierung in Erklärungsnot bringen
Auf der Hermann-Reichel-Straße in Dresden klopften die Ermittler gestern zunächst an die falsche Tür. Denn von der Qualifizierung Mikroelektronik und Fahrzeugbau GmbH (QMF) war hier nichts mehr zu finden. Die Qualifizierungsgesellschaft ging im Januar pleite.
Seither ist sie im Visier der Staatsanwaltschaft, die gestern in Sachsen, Thüringen, Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg Beweise für einen millionenschweren Subventionsbetrug suchte und auch vor dem Wirtschaftsministerium in Dresden nicht halt machte. Ihr Haus selbst habe den Staatsanwälten die zweifelhaften Förderanträge der QMF samt Genehmigungsbescheiden ihres Ministeriums selbst übergeben, erklärte wenig später Wirtschaftsstaatssekretärin Andrea Fischer.
Bereits kurz nach dem Wechsel an der Spitze des Ministeriums im Jahr 2002 seien Minister Gillo und ihr Mitarbeiter-Hinweise zugegangen, „die sehr nebulös waren“. Denen zufolge waren beträchtliche Fördermittel für Qualifizierungsmaßnahmen möglicherweise zweckentfremdet worden. Daraufhin habe man Mitarbeiter versetzt und eine umfangreiche Innenrevision eingeleitet, sagte Fischer.
Opposition fordert Regierungserklärung
Die 1998 gegründete Firma QMF habe von Januar 1999 bis Juni 2001 Fördermittel für insgesamt etwa 26 Millionen Euro beantragt. Sie sollten zu 35 Prozent vom Land und zu 65 Prozent vom Europäischen Sozialfonds kommen. Nach der Auszahlung von 21 Millionen Euro wurde die Maßnahme Mitte 2003 gestoppt. Mit dem Geld sollten nach Informationen des Wirtschaftsministeriums hunderte Mitarbeiter vom Zentrum Mikroelektronik Dresden (ZMD) und der Sachsenring AG qualifiziert werden. Wie Staatsanwalt Claus Bogner gestern erklärte, seien beträchtliche Mittel jedoch als „Personalkosten“ verausgabt worden. Nach derzeitigem Erkenntnisstand sei dies in den Förderanträgen „bewusst“ verschwiegen worden, da es „zur Versagung der Subventionen hätte führen müssen“.
Der ehemalige Geschäftsführer der jetzt insolventen QMF, Helmut S., war gestern nicht erreichbar. Die Staatsanwaltschaft wollte gestern nicht bestätigen, dass er zum Kreis der Beschuldigten gehört. Die QMF war ursprünglich von einem Rüdiger H. in Hamburg gegründet worden, später wurde die Bad Hersfelder Firma Concept 2001 Qualifizierungs- und Projektgesellschaft Mitgesellschafter. An der Concept 2001 ist wiederum eine so genannte Regionale Arbeitsfördergesellschaft Mittelthüringen beteiligt.
Nur wenige Stunden nach Bekanntwerden des Falls schlug die Opposition im Landtag gestern bereits die politische Trommel. PDS-Fraktionschef Peter Porsch forderte eine Regierungserklärung.
Tatsächlich ist derzeit unklar, ob die Subventionsaffäre mit dem Verkauf von ZMD an die Sachsenring AG durch den Freistaat zusammenhängt. Derzeit bleibt im Raum, ob die großzügige Förderung Teil der Privatisierungsvereinbarungen war, von denen die damalige Spitze des Wirtschaftsministeriums Kenntnis gehabt haben dürfte. Somit könnte der Fall auch neuen Zündstoff für den Sachsenring-Untersuchungsausschuss im Landtag liefern. Andrea Fischer kann sich derzeit nicht vorstellen, dass Ex-Minister Schommer in den Fall direkt verwickelt ist. Er habe aber die Gesamtverantwortung gehabt.
(Von Thomas Schade)