Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 05.05.2004

Die Wachstumsbranche: Korruption und Subventionsbetrug blühen

ommentar von Dieter Soika
 
Deutschland leidet unter einer Wachstumsschwäche. Aber es gibt Ausnahmen. Blühende Landschaften gewissermaßen, gedüngt und gewässert mit Millionen an Subventionen. Britta Bannenberg, die Bielefelder Kriminologin, und Wolfgang Schaupensteiner, der Frankfurter Oberstaatsanwalt, sprechen von einer „Wachstumsbrauche", wenn sie ihr Spezialgebiet beschreiben. Sie forschen und fahnden dort, wo öffentliche Geldquellen sprudeln. Denn wo Steuergelder verteilt werden, gibt es Korruption und Subventionsbetrug. Und wo viel Steuergeld verteilt wird, gibt es viel davon.

Ein flächendeckerides Kriminalitätsphänomen mittlerweile, das an den Grundfesten staatlicher Autorität rüttelt. Die Frage ist also längst nicht mehr, ob geschmiert und abgezockt wird, sondern es geht um die Höhe des angerichteten Schadens und das Ausmaß der Bereicherung. Die Müllverbrennung in Köln oder der Stadionbau in München sind somit keine Einzelfälle. Wohl eher die sprichwörtliche Spitze des Eisberges. Das Bundeskriminalamt rechnet mit 6o.ooo Delikten pro Jahr. Schaupensteiner hat in zehn Jahren in Frankfurt 3500 Ermittlungsverfahren durchgeführt. Und der jährliche Schaden allein in der Baubranche wird auf 6 Milliarden Euro geschätzt.

Die Akteure in diesen Beziehungsgeflechten, ob sie bei kleinen Gefälligkeiten oder beim Riesengeschäft erwischt werden, haben eines gemeinsam: Ein fehlendes Unrechtsbewusstsein. Nicht jeder, so will man hoffen, hat seinen Preis, aber die Zahl der schwarzen Schafe nimmt beängstigend zu. Ganze Herden schwarzer Schafe beobachten Korruptions-Experten wie Bannenberg und Schaupensteiner.

In Dresden sind nun einige besonders kapitale Exemplare aufgefallen. Etwa 20 Millionen Euro haben sie in knapp vier Jahren abgegrast. Offenbar monatelang auch unter den Augen des zuständigen Wirtschaftsministers. Der wird, ebenso wie sein Vorgänger, dem Steuerzahler erklären müssen, warum Fördermittel in dieser Größenordnung ohne wirkungsvolle Kontrolle ausgezahlt werden konnten. Es sieht so aus, als ob sich die Täter nur frech und dreist genug zu den Futtertrögen vordrängen müssten; ihnen stellt sich dann niemand mehr in den Weg. Die Staatsanwaltschaft hat sich aus gutem Grund zu einer spektakulären Durchsuchungsaktion entschlossen. Denn das ist nicht nur ein Kriminalfall, sondern ein handfester politischer Skandal.