Karl Nolle, MdL

ND - Neues Deutschland, 22.04.2004

Subbotnik für Biedenkopf

Streit um eine Nobel-Uhr für Sachsens Landesvater
 
Es war eines jener Rührstücke aus dem kleinen Königreich des Kurt Biedenkopf. Als der sächsische Regierungschef im Januar 2000 seinen 70. Geburtstag beging, bedachten ihn Uhrmacher aus Glashütte mit einem Geschenk, das unnachahmlich die Ehrerbietung der Sachsen für ihren Landesvater illustrierte. Biedenkopf erhielt ein Nobelchronometer; als Dank für sein Engagement in Sachen Glashütte, gefertigt in einer Art Subbotnik. Geschätzter Wert der Uhr: 71000 Euro, was im Freistaat einem sehr, sehr guten Jahreseinkommen entspricht.

Weil aber Biedenkopfs Einsatz für das Manufakturstädtchen in seiner Funktion als Ministerpräsident erfolgte und Staatsbedienstete nur bescheiden beschenkt werden dürfen, beschloss das Kabinett nach großem öffentlichem Tamtam, die Uhr nur als Leihgabe zu betrachten. Diese durfte das Handgelenk des Regierungschefs, nicht aber des Privatmannes Biedenkopf zieren. Nach dessen Amtsende sei das teure Stück zurückzugeben.

Doch während Biedenkopfs letztes Stündlein als Ministerpräsident schon vor über zwei Jahren geschlagen hat, tickt die Uhr noch immer im Haus des Hobbyuhrmachers. Ein in Ungnade gefallener Untertan, der frühere Leiter des Leipziger Liegenschaftsamtes Norbert Steiner, zeigte ihn deshalb wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung an. Nach Ansicht des SPD-Abgeordneten Karl Nolle wären bei einer Übereignung des teuren Stücks 15000 Euro Schenkungssteuer fällig geworden.

Der pensionierte Landesvater, der einst bereits die Niedrigmiete in seiner noblen Dienstvilla als völlig überzogen vorgerechnet hatte, bevor öffentlicher Unmut ihn doch zur Demission trieb, hat auch für die Weiterverwendung der Uhr eine passende Erklärung. Er habe der Manufaktur den Materialwert – immerhin auch 6000 Euro – ersetzt und ansonsten die fleißigen Uhrmacher zu einem Abendessen eingeladen.

Dem Chefaufklärer Nolle scheint die solcherart zu Stande gekommene Begegnung zwischen den Arbeitern und ihrer (Ex-)Regierung den Preis nicht wert zu sein. Als fadenscheinig betrachtet er auch die Argumentation, wonach die Uhr im Kollektiv montiert wurde und ein Steuer-Freibetrag von 5200 Euro je Schenkendem berechnet werden könne. Nolle löchert erneut die Staatsregierung mit Anfragen. Biedenkopf-Getreue werden nun hoffen, dass dessen Zeit bald abgelaufen ist. Gelegenheit gibt es im nächsten März. Dann wird Nolle 60. Vielleicht treffen sich irgendwo in einem sächsischen Betrieb ein paar Arbeiter zu einem Subbotnik.
(Von Hendrik Lasch)