Karl Nolle, MdL

Frankfurter Rundschau, 12.05.2004

SPD-Chefin beschimpft Milbradt als "Nicht-Sachsen"

Sozialdemokratin Krehl schockiert mit "zutiefst provinziellen" Bemerkungen ihre Partei in einem aussichtslosen Wahlkampf
 
Sachsens SPD macht wieder einmal, was sie am besten kann, nämlich sich selbst das Leben schwer. Diesmal will Parteichefin Krehl mit anti-westdeutschen Äußerungen Wahlkampf gegen Ministerpräsident Milbradt machen - und holt sich eine blutige Nase.

Dresden · 11. Mai · Im November drohte die SPD-Landeschefin Constanze Krehl dem CDU-Ministerpräsidenten: "Milbradt wird sich noch wundern, zu was die sächsische SPD fähig ist." Seit dem vergangenen Wochenende weiß man mehr: Auf einem Parteitag packte Krehl ihre furchtbarste rhetorische Keule aus und drosch auf Milbradt ein: "Dieser Nichtsachse", beschimpfte sie den gebürtigen Sauerländer.

In der sächsischen SPD hält man die Attacke angesichts der Umfragen zur Landtagswahl im September für eine reine Verzweiflungstat. Die CDU liegt mit 56 Prozent vorn. Die SPD, 1999 auf 10,7 Prozent abgestürzt, erlebt gerade ein Zwischenhoch und liegt mit 17 Prozent auf PDS-Niveau.

In den eigenen Reihen herrscht offene Verärgerung über Krehls Versuch, aus Milbradts westdeutscher Herkunft Wahlkampfmunition zu machen. Der Leipziger SPD-Abgeordnete und frühere Uni-Rektor Cornelius Weiss nennt Krehls Äußerungen "völlig idiotisch". Leipzigs Ex-SPD-Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube, ein Hannover-Import, fühlt sich "getroffen" vom Gerede seiner Parteichefin "die übrigens in Stuttgart das Licht der Welt erblickte". Er sei "sehr enttäuscht", sagte er der Leipziger Volkszeitung. "Mit solchen Äußerungen wird ein primitiver Provinzialismus bedient, der aus der Eigenschaft Sachse zu sein - was ist das eigentlich - ein Verdienst machen will."

Auffällig ist, dass sich sogar Krehls Mentor, der Leipziger Unterbezirksvorsitzende und Bundestagabgeordnete Gunter Weißgerber, von der Parteichefin abwendet. Weißgerber gehört zu den wenigen einflussreichen Genossen, die Krehl immer verteidigt und zu ihr gehalten haben. Nun nannte er Krehls Äußerungen "zutiefst provinziell". Es sei bestürzend, wenn sich die SPD 15 Jahre nach dem Mauerfall in die Nähe der Parole "Sachsen den Sachsen" bringe. So etwas sei eine "Beleidigung für die ungezählten westdeutschen Aufbauhelfer" und mindere die Wahlchancen der SPD. Wenn man für Weltoffenheit werbe, könne man nicht so "über die Bevölkerung herfallen".

Offensichtlich bereitet man in der SPD das mittelfristige Aus für die ungeliebte Vorsitzende vor. "Ihr Steigbügelhalter hat sie zur Demontage freigegeben", kommentierte ein Landtagsabgeordneter Weißgerbers Worte. Tatsächlich hatte die sächsische SPD in den vergangenen Monaten genug Gründe, sich über die eigene Chefin zu ärgern. Die Europa-Abgeordnete gilt in den eigenen Reihen als Vorsitzende, die keinen Bogen um Fettnäpfe machen kann. Zum Jahreswechsel ließ sie jedem Parteimitglied per Videocassette ihre Weihnachts- und Neujahrswünsche übermitteln. Der Streifen, in dem sie als Hauptdarstellerin mit Hund und Familie auftritt, ließ etliche Genossen rot anlaufen. Peinlich war auch, dass aus dem Computer ihres Kommunikationsberaters eine gefälschte Meldung stammte, die Krehls Intimfeind, den SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Jurk, beschädigen sollte. Ihre Milbradt-Tirade, heißt es nun in der SPD, sei "der Tropfen zu viel".
(von Bernhard Honnigfort)

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Schwarzes Sachsen

Sachsens SPD, 4700 Mitglieder klein, ist drei Monate vor der Landtagswahl am 19. September ohne den Hauch einer Chance auf eine Regierungsbeteiligung. Weder mit der CDU, noch mit der PDS.

In Sachsen haben die Sozialdemokraten seit der Wiedervereinigung kein Bein auf den Boden bekommen - abgesehen von Chemnitz und Leipzig, wo SPD-Oberbürger- meister regieren. Zwischen CDU und PDS wurde die SPD zerrieben.

Die CDU unter Kurt Biedenkopf holte 1990, 1994 und 1999 eine satte absolute Mehrheit. Die SPD baute ab: 19 Prozent mit der Spitzenkandidatin Anke Fuchs, 16 und dann zehn Prozent mit Karl-Heinz Kunckel. bho
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