Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung Dippoldiswalde, 09.06.2004

Schläfchen auf der Bundesstraße

Die SPD probt die Verkehrsberuhigung im Liegen / B 170 eine halbe Stunde gesperrt
 
Sommer, Sonne und ein Schläfchen auf der B 170. Gestern machten es sich drei SPD-Landtagsabgeordnete auf dem Possendorfer Asphalt gemütlich. Sie demonstrierten für die Rollende Landstraße.

„Es ist ein geiles Gefühl, hier auf der Straße zu sitzen“, sagt Torsten Rothe. Der Possendorfer hat ein paar Klappstühle mitten auf der B 170 platziert. Gemeinsam mit Freunden genießt er die Ruhe. Kaum 20 Meter weiter in Richtung Ampelkreuzung richten sich Leute auf Feldbetten häuslich ein. Quer über die Fahrbahn stehen die Liegen. Mit roten T-Shirts und dem Spruch „Nachtruhe ist ein Menschenrecht“ demonstriert die SPD für weniger Transitverkehr auf der B 170. Von 16 bis 16.30 Uhr gestern Nachmittag war die Bundesstraße auf Grund der Demonstration voll gesperrt.

Die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Simone Raatz, hatte die Ruhepause auf der 170 organisiert. Man wolle damit ein Zeichen in Richtung sächsische Landesregierung senden, erklärt sie. „Es ist völlig unverständlich, dass bei dem Chaos auf der B 170 die Rollende Landstraße eingestellt werden soll.“ An der Aktion beteiligt waren auch die SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle und Johannes Gerlach.

Die Lkw, die normalerweise ununterbrochen durch Possendorf brausen, mussten gestern Nachmittag eine Zwangspause einlegen. Und die zahlreich an der Straße erschienenen Possendorfer waren hoch erfreut. „Hoffentlich bringt’s was“, sagt zum Beispiel Hildegard Grimm. Sie wohnt direkt an der Bundesstraße: „Wir haben das Schlafzimmer zur Straße und können nie ein Fenster öffnen.“ Seit dem Wegfall der Zollkontrollen am 1. Mai sei der Verkehr schlicht eine Katastrophe.

„Irgendwann kracht es einmal richtig“

Einer, der mit seinem Mercedes-Laster in Possendorf fest saß, war Michael Zschach. „Was hier passiert, ist Schauspielerei“, meint er zwar zur SPD-Demo und ärgert sich ein bisschen über die halbe Stunde Arbeitszeit, die ihm verloren geht. Die Sorgen der Possendorfer kann er aber voll und ganz verstehen. Denn der Inhaber eines Abschleppdienstes wohnt in Ulberndorf selbst direkt an der B 170.

Obwohl Brummi-Fahrer, nervt ihn der Transitverkehr genau so wie die anderen Anwohner. „Der ganze Weißeritzkreis geht dadurch kaputt“, sagt er. Und: „Ich lade gern mal einen Politiker ein, bei uns zu übernachten.“ Aber Zschach macht sich nicht nur wegen des Lärms Sorgen. Als Abschlepp-Unternehmer muss er auch nach Unfällen auf der B 170 aufräumen. „Früher oder später“, sagt er, „kracht es mal richtig. Die Straße ist einfach nicht für diesen Verkehr ausgelegt.“

Gestern sicherten mehr als zwei Dutzend Polizeibeamte die gefährliche Strecke. Dank einer generalstabsmäßigen Planung der Polizei wurden die Brummis bereits im Kaitzer Loch bzw. in Dippoldiswalde gestoppt. Pkw-Fahrer konnten sich eine Umleitung suchen, zum Beispiel über Kreischa oder Freital, standen aber auf Grund des Feierabendverkehrs ebenfalls im Stau – spätestens als sie versuchten, an der Possendorfer Kreuzung wieder auf die B 170 zu gelangen. Zum befürchteten Verkehrskollaps kam es aber nicht. „Es hat wunderbar geklappt“, sagt Polizei-Einsatzleiter Herbert Pichlkostner, nachdem er die Straßensperre pünktlich um halb fünf aufgehoben hat. Einziger Zwischenfall: Zwei Notarztwagen bahnten sich kurz vor Schluss einen Weg durch die Menge und vertrieben die Demonstranten für ein paar Sekunden von ihren Liegen.
(Von Christian Eißner)