Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 18.06.2004

„Mobbing Kündigung": Krehl erlitt Schlappe vor Gericht

SPD-Chefin muss schwerbehinderte Mitarbeiterin wieder einstellen
 
Dresden. Nach der Schlappe am vergangenen Wahlsonntag musste die Europaabgeordnete und sächsische SPD-Chefin Constanze Krehl gestern eine weitere Schlappe hinnehmen. Die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Dresden hob die Kündigung auf, die der SPD-Landesverband im Dezember vergangenen Jahres gegen eine Schreibkraft der Geschäftsstelle ausgesprochen hatte. Grund für die fristlose Trennung von der schwerbehinderten Frau, die seit zehn Jahren in den Diensten der Sozialdemokraten steht, ist der Vorwurf, die Partei durch zwei falsche Abrechnungen um 4,5o Euro geschädigt zu haben.

Bis Oktober 2003 war die Abrechnung der 53-jährigen Anneliese H. unbeanstandet geblieben, die sie im Mai für eine Fahrt mit ihrem Privat-Pkw und ein Telefongespräch eingereicht hatte. Dann schlug Krehls Buchhaltung gnadenlos zu. Der Vorwurf: Betrug am Parteivermögen. Die Mitarbeiterin habe eine Fahrt von 13 Kilometer mit 3,90 Euro dienstlich berechnet, obwohl sie von einem Tagungshotel zu ihrer Wohnung gefahren sei.

6o Cent auf der Hotelrechnung für ein Telefonat mit ihrer Parteizentrale reichten, um die Kündigung perfekt zu machen. Dabei hatte Anneliese H. nur vorsorglich auf eine drohende Erkrankung und ihre Abwesenheit am folgenden Montag aufmerksam gemacht. „Eine typische Mobbing-Kündigung", kommentierte Anwältin Susanne Wortmann das Verhalten der SPD.

Diese Einschätzung teilte offenbar auch das Arbeitsgericht. Richterin Zies rügte die fehlende Verhältnismäßigkeit der Kündigung. Weder sei die Mitarbeiterin auf einen veränderten Abrechnungsmodus aufmerksam gemacht worden, geschweige denn abgemahnt worden. ,Offenbar gab es bei der SPD keine richtigen Organisationsanweisungen, ob Fahrten von der Wohnung oder vom Arbeitsplatz aus abgerechnet werden dürfen", sagte die Richterin. Krehls Anwältin räumte ein: „Das sind Versäumnisse." Auf einen Kompromiss, wie eine Abfindungsregelung, wollte sich ihre Auftraggeberin nicht einlassen.

Die gekündigte Schreibkraft habe keine Kenntnis gehabt, sich Vermögensvorteile zu verschaffen, heißt es in der Urteilsbegründung. Die SPD muss sie wieder einstellen. ,Jetzt zählen starke Nerven", meinte Anwältin Wortmann ahnungsvoll. Anneliese H. gehört immer noch der SPD an. Im voll besetzten Saal des Arbeitsgerichts hörte man aber auch Austrittsankündigungen. „Einer Partei, die für solch peinliche Prozesse Geld verschleudert, kann man nicht mehr angehören."
(von Hubert Kemper)