Karl Nolle, MdL

Agenturen dpa/sn, 18:21 Uhr, 27.06.2004

Jurk jetzt SPD-Spitzenkandidat - Niederlagen für Landesvorsitzende

 
Döbeln (dpa/sn) - Drei Monate vor der Landtagswahl ist der schwelende Machtkampf in der sächsischen SPD erneut ausgebrochen. Während der Chef der Landtagsfraktion, Thomas Jurk, am Sonntag in Döbeln mit 88,1 Prozent der Stimmen als Spitzenkandidat für die Landtagswahl bestätigt wurde, erreichte Parteichefin Constanze Krehl nur 54,2 Prozent bei der Wahl für den Listenplatz zwei. Bei der Abstimmung über die weiteren aussichtsreichen Listenplätze konnte sich das Lager um Jurk durchsetzen. Hingegen musste die Leipziger Flanke um Krehl zurückstecken.

Der Listenvorschlag des Landesvorstandes wurde mehrfach gravierend korrigiert - nach Parteiangaben erstmals in der Geschichte des Landesverbandes. Krehl sprach nach den Abstimmungsniederlagen von einem bitteren Ergebnis, mit dem sie nicht gerechnet habe, und lehnte jeglichen Kommentar zu ihrer politischen Zukunft ab. «Ich brauche 24 Stunden Bedenkzeit», sagte die 47 Jahre alte Europaabgeordnete, die seit 1999 den Landesverband führt. Auch Jurk wollte sich nicht näher äußern. Er habe Verständnis für die von Krehl erbetene Bedenkzeit, sagte er. Am Rande der Delegiertenkonferenz gab es Gerüchte über einen bevorstehenden Rücktritt Krehls.

Der Streit um die Führung in der SPD war Ende vergangenen Jahres eskaliert, als Jurk und Krehl Anspruch auf die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl am 19. September angemeldet hatten. Eine geplante Urwahl wurde dann überraschend wieder abgesetzt und nach Eingreifen des früheren Parteichefs Karl-Heinz Kunckel entschieden, dass Jurk und Krehl als «Tandem» agieren sollen. Kunckel hatte 1999 Krehl als seine Nachfolgerin vorgeschlagen.

Die Kampfabstimmungen in Döbeln begannen bereits bei Platz drei, auf den überraschend Juso-Vorsitzender Martin Dulig gesetzt wurde. Er rangierte auf dem erst am Vorabend noch einmal überarbeiteten Vorschlag des Vorstandes nur auf Platz 31. Auf die folgenden Plätze kamen sechs Landtagsabgeordnete, unter ihnen Karl Nolle.

Der aus Leipzig stammende Bildungsexperte der Fraktion, Gunther Hatzsch, verfehlte zwei Mal die nötige Mehrheit. Eigentlich sollte er auf Platz drei kommen. Er unterlag noch einmal bei der Abstimmung um Platz acht und trat danach nicht mehr an. Insgesamt fünf vom Landesvorstand favorisierte Kandidaten wurden bis einschließlich Platz 10 nicht bestätigt.

Als Vertreter der Gewerkschaften wurde Stefan Brangs von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di auf Platz 13 gesetzt. DGB-Chef Hanjo Lucassen, der derzeit noch der Landtagsfraktion angehört, trat nicht noch einmal an. Der Leipziger Unternehmer Rolf Gansauer, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen in der SPD, kam auf Platz 20. Nach dem Willen des Landesvorstandes sollte er eigentlich auf Platz fünf kommen. Der Chemnitzer Unterbezirksvorsitzende Axel Brückom rutschte vom Vorschlagsplatz sechs auf den 15. Listenplatz.

Bei der Debatte um Nolle eskalierte der Streit. Der Dresdner Unternehmer wurde heftig angegriffen. Vor allem Leipziger Delegierte warfen ihm vor, der Partei mit seinem bisherigen Agieren stark geschadet zu haben. Mit Nolle auf einem der vorderen Plätze sei die SPD bei der Landtagswahl einem Ergebnis von 5 Prozent näher als einem Ergebnis von 17 Prozent, warnte der Leipziger Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber.

Nolle, der zu den Unterstützern von Jurk gehört, hatte in der Vergangenheit immer wieder öffentlichkeitswirksam «schwarzen Filz» in Sachsen angeprangert. Vor allem die Affären um Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf in den Jahren 2001 und 2002 hatten ihm zu einiger Bekanntheit verholfen. Er räumte in seiner mit großer Aufmerksamkeit verfolgten Bewerbungsrede Fehler ein, warnte aber zugleich, die SPD als traditionsreiche Volkspartei dürfe sich «nicht weiter im Misstrauen des Wahlvolkes» auflösen.

Die SPD mit derzeit etwa 4600 Mitgliedern hatte bei der Landtagswahl vor fünf Jahren starke Verluste erlitten und war auf nur 10,7 Prozent der Stimmen gekommen. Sie errang damit nur 14 Sitze im Landtag und wurde hinter CDU und PDS drittstärkste Fraktion. Bei den Europa- und Kommunalwahlen vor zwei Wochen musste die SPD weitere Niederlagen einstecken. Einzig in der Stadt Leipzig konnte sie bei der Kommunalwahl ihren Stimmanteil erhöhen und wurde Wahlsieger. dpa st yysn ba

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