Karl Nolle, MdL

Dresdner Morgenpost, 28.06.2004

Heute Rücktritt? SPD-Chefin Krehl verlor auf ganzer Linie

 
DÖBELN - Das gab's noch nie: Sachsens SPD steht gegen den eigenen Vorstand auf,warf seine Listenvorschläge für die Landtagswahl völlig über den Haufen. Partei-Chefin Constanze Krehl (47) rettete zwar gerade noch so ihren Platz 2, aber jetzt denkt sie über Rücktritt nach. Der Machtkampf in der SPD ist voll entbrannt.

„Das Döbelner Theater existiert seit 132 Jahren", warb Bürgermeister Axel Buschmann zu Beginn der SPD-Landesdelegiertenkonferenz für seine Stadt. Die spannendste Vorstellung gab's kurze Zeit später - ungeprobt! Die Delegierten watschten SPD-Vorstand und Parteichefin ab. „Wir wollten einen möglichst guten Listenvorschlag zur Debatte stellen", hatte Krehl zu Beginn geworben. Doch bereits ab Listenplatz 2 sahen das die Delegierten anders, wählten die Chefin nur mit 54,2 Prozent. Spitzenkandidat Thomas Jurk erreichte 88,1 Prozent. Er ist nun klar die Nummer eins, bekam viel Beifall.

Auf den folgenden zehn für den Landtag aussichtsreichen Plätzen begann das Kandidaten-Kegeln. Grund: Der Vorstand hatte acht der ersten 14 Plätze mit unbekannten, teils völlig farblosen Köpfen besetzt und anerkannte, aber oft unbequeme Fachleute wie Hochschulexperte Cornelius Weiss, Chefaufklärer Karl Nolle und Juso-Chef Martin Dulig weit nach hinten geschoben. Zuerst siegte Dulig auf Platz 3, dann holte Weiss Platz 5. Die Chefin wurde blass, bat zur Krisensitzung.

Unterdessen entzündete sich der Streit um Platz 8. Hier trat Nolle zur Kampfabstimmung an. Zuviel für den Leipziger Bundestagsabgeordneten und Krehl-Vertrauten Gunter Weißgerber: „Nolles Außenwirkung ist verheerend", beschwor er den Saal. „Wenn Nolle siegt, zahlen wir alle den Preis", rief der Chemnitzer Bundestagsabgeordnete Gerald Thalheim. Doch Nolle bekam viel Lob für seinen „aufmüpfigen, kritischen und kämpferischen Stil". Rührend emotional warb er für sich, endete gewohnt frech: „Es ist immer leichter mit der Partei zu irren, als gegen sie Recht zu haben." Damit hatte er überzeugt: Sieg im ersten Wahlgang, donnernder Applaus.

Insgesamt sechs vom Vorstand favorisierte Kandidaten verfehlten bis Platz 12 ihr Ziel, darunter auch Bildungsexperte Gunther Hatzsch. Er fiel gegen Dulig und Nolle durch, trat nicht wieder an. Eine klare Niederlage für Ftau Krehl. Sie lehnte jeden Kommentar ab. „Ich brauche 24 Stunden Bedenkzeit"

Gestern Abend sickerte aus Parteikreisen durch, dass SPD Chefin Krehl ihren 2.Listenplatz zurückgegeben haben soll. Damit würden alle Kandidaten nach ihr einen Platz vorrücken: Martin Dulig etwa auf Platz 2, Karl Nolle auf Platz 7. Für eine Stellungnahme war Constanze Krehl gestern nicht mehr zu erreichen.
(Von Stefan Locke)