Karl Nolle, MdL
Frankfurter Rundschau, 29.06.2004
Sachsens SPD-Chefin Krehl tritt zurück
Umstrittene Parteivorsitzende scheitert nach Streit mit Genossen/Fraktionschef Jurk springt bis zur Landtagswahl ein
Sachsens SPD-Chefin Constanze Krehl ist von allen Parteiämtern zurückgetreten. Am Wochenende hatte sie es sich mal wieder mit großen Teilen der SPD verscherzt.
Dresden · 28. Juni · Der Sonntag war ein Desaster für Sachsens Sozialdemokraten. Im Döbelner Volkshaus wollte die kleine SPD ihre Kandidatenliste zur Landtagswahl im September aufstellen. Vorab hatte es einige Absprachen gegeben, die sicherstellen sollten, dass der innerparteiliche Frieden nicht gefährdet würde.
Doch am Samstagabend hatten sich Krehl und ihr Landesvorstand, ohne mit der Wimper zu zucken, darüber hinweg gesetzt: Der Juso-Vorsitzende Martin Dulig fand sich plötzlich nicht mehr auf dem sicheren Platz drei, sondern auf dem aussichtslosen Platz 31 wieder. Der Abgeordnete und Uni-Rektor a. D., Cornelius Weiss, nicht mehr auf Platz fünf, sondern auf Platz 20. Und Karl Nolle, der Skandal-Experte der SPD-Fraktion, nicht mehr auf Nummer acht, sondern auf 21: alles Plätze ohne Chancen. Bei der Landtagswahl 1999 kam die SPD auf 10,7 Prozent und 14 Abgeordnete.
Krehl scheiterte allerdings mit dem Versuch, ihr nicht genehme Genossen auszumanövrieren. Die 47-jährige Parteivorsitzende war wieder einmal auf die Nase gefallen. Sie selbst wollte auf Listenplatz zwei in den Landtag einrücken und bekam nur 55 Prozent der Delegiertenstimmen. Ein Resultat, das wie eine Rücktrittsforderung klang. Vor Schreck bleich geworden, erbat sie sich 24 Stunden Bedenkzeit.
Am Montag gab sie auf und erklärte, nur ihr Europa-Abgeordnetenmandat behalten zu wollen. "Sie ist nicht allein schuld. Der ganze Vorstand muss weg", sagte der Abgeordnete und DGB-Landeschef Hanjo Lucassen. "Wenn die SPD nicht bald Tritt fasst, kann man nicht ausschließen, dass bei der Landtagswahl am 19. September ein einstelliges Ergebnis herauskommt."
Die Leipzigerin Krehl hatte den SPD-Vorsitz 1999 nach der schweren Wahlniederlage von SPD-Chef Karl-Heinz Kunckel übernommen und war von Anfang an höchst umstritten. Ihr wurde vorgeworfen, sie führe die Partei zusammen mit dem Leipziger Bundestagsabgeordneten Gunter Weißgerber, mit Staatsminister Rolf Schwanitz und dem Staatssekretär Gerald Thalheim, als sei sie deren Privatbesitz. Es werde nicht diskutiert, sondern von oben durchgestellt. Kritik würde bestraft. Eine kleine Kungelrunde verteile die wenigen Posten, welche die kleine SPD noch anzubieten habe an brave Mitläufer.
Spätestens Ende vergangenen Jahres deutete sich an, wie sehr Krehl mit der Parteiführung überfordert war. Zu Weihnachten ließ sie ein peinliches Video von sich in häuslicher Atmosphäre fabrizieren und als Neujahrsgruß an alle 4700 Genossen versenden. Der Streifen, mit Schäferhund und Zirbelstubenflair, verschlug allen Empfängern die Sprache.
In ihrer Partei war sie richtig unten durch, als vor zwei Wochen ein Fall vor dem Dresdner Arbeitsgericht Wellen schlug. Eine schwerbehinderte Sekretärin der SPD-Landesgeschäftsstelle klagte erfolgreich gegen ihre fristlose Kündigung. Die SPD hatte die Frau mit Wissen Krehls gefeuert, weil sie angeblich 3,50 Euro in ihren Spesenabrechnungen falsch angegeben hatte. "Als das mit der Sekretärin rauskam, war es vorbei", hieß es in der SPD-Fraktion. "Die meisten in der SPD waren entsetzt."
Jetzt soll Thomas Jurk, der SPD-Fraktionschef und Spitzenkandidat, die SPD bis nach der Wahl am 19. September führen.
(von Bernhard Honnigfort)