Karl Nolle, MdL
Agenturen dpa/sn, 19:03 Uhr, 28.06.2004
Rücktritt von SPD-Chefin Krehl - Fraktionschef will Partei führen
Dresden (dpa/sn) - Drei Monate vor der Landtagswahl ist Sachsens SPD-Vorsitzende Constanze Krehl am Montag zurückgetreten. Die Europaabgeordnete wird auch nicht als Kandidatin zur Landtagswahl am 19. September antreten, teilte sie in einer schriftlichen Erklärung mit. Die 47-Jährige zog damit die Konsequenz aus dem für sie schlechten Ergebnis bei der Aufstellung der Liste für die Landtagswahl am Sonntag in Döbeln.
Der SPD-Fraktionschef im Landtag, Thomas Jurk, will die Partei zunächst kommissarisch führen. «Ich bin bereit, Verantwortung zu übernehmen», sagte er am Montagabend in Dresden. Seiner Auffassung nach braucht die Partei jetzt einen Neubeginn. Menschlich halte er den Rücktritt von Krehl für tragisch.
Krehl, die auch Mitglied des SPD-Bundesvorstandes ist, war am Sonntag auf dem Listenparteitag zwar wie erwartet auf Platz zwei gesetzt worden. Sie erhielt aber nur 54,2 Prozent der Stimmen. Ihr Kontrahent Jurk wurde dagegen mit 88,1 Prozent als Spitzenkandidat für die Landtagswahl bestimmt. Bei den folgenden Kampfabstimmungen für die weiteren aussichtsreichen Listenplätze konnte sich Krehl dann mit ihren Vorschlägen nicht durchsetzen.
Am Dienstag tagen laut Jurk in Dresden Parteipräsidium und -vorstand, um das weitere Vorgehen zu beraten. Die Bitte, die Partei zunächst kommissarisch zu führen, sei vom stellvertretenden SPD-Landesvorsitzenden Wolfgang Schwanitz an ihn herangetragen worden. «Die Partei braucht einen Neubeginn», sagte Jurk und schloss ausdrücklich den Landesvorstand ein. Dieser hatte am Wochenende die Liste für die Landtagswahl gravierend verändert. Die Delegierten der Wahlkonferenz folgten dem Votum des Vorstandes jedoch nicht.
Krehl führte den Landesverband seit 1999. Damals hatte die Partei nur 10,7 Prozent der Stimmen gewonnen. Das war das schlechteste Ergebnis für die SPD bei einer Landtagswahl in Deutschland überhaupt. Um die Spitzenkandidatur hatte es mehr als ein halbes Jahr lang heftige interne Auseinandersetzungen gegeben. Krehl selbst war am Montag nicht zu erreichen. Auch Jurk hatte keinen Kontakt zu ihr, sagte er.
Die Erklärung Krehls, dass der Döbelner Parteitag «eine klare Richtungsentscheidung gegen Sachpolitik» getroffen habe, hält Jurk für schwer nachvollziehbar. Das habe Krehl vermutlich aus tiefem Frust erklärt, wer auch immer ihr das diktiert habe. «Rational lässt sich das nicht erklären», sagte der 42-Jährige. Er blicke nicht im Zorn auf die Auseinandersetzungen mit Krehl zurück. «Die Akte Personalquerelen ist geschlossen.» Auf Nachfrage bekannte Jurk, dass der Rücktritt Krehls für ihn eine Art Befreiungsschlag gewesen sei.
Er wolle versuchen, integrierend im Landesverband mit rund 4600 Mitgliedern zu wirken. «Wir brauchen uns gegenseitig.» Aus seiner Sicht hat der Döbelner Parteitag einen wichtigen personellen Klärungsprozess zu Ende gebracht. Jetzt müsse sich die SPD aufstellen, um bei der Landtagswahl das bestmögliche Ergebnis zu erreichen.
dpa st yysn ba
281903 Jun 04