Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 29.06.2004

Selbstdemontage in Sachsens SPD

 
Wenn führende Politiker von der eigenen Partei demontiert werden, handelt es sich tatsächlich in der Regel um das Finale einer kolossalen Selbstdemontage. Die Basis reagiert auf das Unvermögen, Stimmungen wahrzunehmen. Ein Paradebeispiel für eine selbst verschuldete Quittung ist das Debakel der bisherigen Chefin der sächsischen SPD, Constanze Krehl. Kurz vor Beginn der heißen Phase des Landtagswahlkampfs - am 19. September wird gewählt - hat die Europaabgeordnete am Montag die Konsequenz aus Demütigungen durch die Partei gezogen. Krehl gibt als Parteichefin auf, auch ihre Kandidatur für den Landtag zieht die 47-Jährige zurück.

Der letzte Auslöser war ein Parteitag am Sonntag, bei dem die ohnehin schwachbrüstige sächsische SPD ihre Liste für die Landtagswahl aufstellte. Krehl wurde für ihre Versuche, die Partei zu dominieren, im Fünf-Minuten-Rhythmus von der Basis abgewatscht. Erst bekam sie selbst für den Listenplatz zwei hinter Fraktionschef Thomas Jurk eine extrem knappe Zustimmung. Nach dieser Demütigung setzten sich bei den Abstimmungen über die Listenplätze Kandidaten durch, die sie unbedingt hatte verhindern wollen.

Vor fünf Jahren hatte Krehl den Parteivorsitz in Sachsen nach dem 10,6-Prozent-Debakel der SPD bei der Landtagswahl übernommen. Sie wurde aus Mangel an Alternativen gewählt. Obwohl sie blass blieb, forderte sie nach dem Verzicht von Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl. Dabei warb sie für sich mit einem grotesken Video, das sie als hausbackenes Mütterchen vor einem Weihnachtsbaum zeigte.

Nicht nur an diesem Video hatten die Genossen zu leiden, bis die Urwahl schließlich abgesagt wurde, weil sich Krehls Niederlage abzeichnete. Der favorisierte Fraktionsvorsitzende Thomas Jurk wurde erster in einer Doppelspitze, vor Krehl. Schon damals erwarteten viele ihren Rücktritt. Nun wurde er unausweichlich. Dem Bundestrend folgend steht die Sachsen-SPD ohnehin auf nahezu verlorenem Posten. Sie muss im September ein Fiasko fürchten. Für Jurk ist Krehls Schritt aber ein Befreiungsschlag: Immerhin geht es jetzt nur noch gegen den politischen Gegner.
(von Jens Schneider)