Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 30.06.2004

Selbstsicher wie nie zuvor

Der neue SPD-Landesvorsitzende Thomas Jurk will die Glaubwürdigkeit der Sozialdemokraten zurückgewinnen
 
Thomas Jurk, der SPD-Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidat zur Landtagswahl, führt nun auch die Landespartei, nachdem die bisherige Chefin Constanze Krehl das Handtuch geworfen hat.

Dresden. Die Entscheidung für Jurk erscheint logisch. Der 42-Jährige ging als Sieger aus der Delegiertenversammlung hervor, die am Sonntag die Landesliste für die Wahl im September gegen den Vorstandsentwurf zusammenstellte. Ein Chef, der eher aus dem Umkreis der unterlegenen Constanze Krehl stammen würde – wie Parteivize und Staatsminister Rolf Schwanitz – hätte nur den Machtkampf fortgesetzt.

Logisch aber auch, weil Jurk in den fünf Jahren als Vorsitzender der Fraktion bewiesen hatte, dass er gut in der Lage ist, auch eine Reihe von Querköpfen in die gemeinsame Arbeit zu integrieren. Außerdem ist er einer der wenigen Sozialdemokraten im Freistaat, den wenigstens ein Drittel der Wähler kennt.
Als 1999 die Landtagswahl zum Debakel für die SPD wurde, hat sich Jurk nicht danach gedrängt, Altmeister Karl-Heinz Kunckel an der Fraktionsspitze zu beerben. Er ließ sich förmlich in die Position schieben. Dabei galt er damals schon als politisches Talent und als der Einzige, der für die Nachfolge in der Fraktion in Frage kam. Krehl hatte die Parteiführung bekommen.

Jurk kommt vom Lande und gibt sich handfest. Er legt Wert darauf, dass er aus dem dörflichen Weißkeißel kommt und nicht aus Weißwasser, das seinem Wahlkreis den Namen gibt. Dort lebt er mit der Lehrerin Katrin (43), den Kindern Nadine(25) und Tobias (21) auf dem Dreiseithof der Familie. Den Wetterbericht hat er zu seiner liebsten Fernsehsendung gekürt.

Zu DDR-Zeiten errichtete er nach eigenem Zeugnis einen 19 Meter hohen Antennenmast auf dem Hof. Er wollte Westfernsehen empfangen und hörte die Westberliner Sender Rias und SFB. Das Antennenhobby machte er zum Beruf: Er lernte Funkmechaniker.

In die Politik startete Jurk gleich mit der Wende, trat noch 1989 in die eben gegründete SPD ein. Ein Jahr später saß er für sie schon im Landtag. 1994 wurde er Stellvertretender Fraktionsvorsitzender. 1997 übernahm er auch die Schlüsselposition des Finanzexperten.

Jurk hat breite Schultern, und sein großer, blanker Schädel signalisiert Durchsetzungskraft. Aber zu Beginn seiner Zeit an der Spitze der Fraktion schien es, als wären die Schuhe, die Kunckel ihm hinterlassen hatte, ein paar Nummern zu groß. Als zweitjüngster musste er den kleinen Haufen von 14 Abgeordneten auf eine gemeinsame Linie bringen, von dem mancher geglaubt hatte, er würde einfach untergehen. Nach und nach zeitigte die Arbeit der kleinen Fraktion Erfolge. Er selbst nennt die Teilnahme an den Volksbegehren zu Sparkassen und Schule. Auch die Zusammenarbeit ist ihm wichtig: Mal mit der PDS beim Personalvertretungsgesetz, mal mit der CDU etwa beim Medienrat.
Immer spürbarer wurde in den fünf Jahren, wie die Landeschefin ihn an der kurzen Leine hielt. Der Ende 2003 losgebrochene Streit mit Krehl um die Spitzenkandidatur und der Konflikt um die Besetzung der Landesliste waren nur die Höhepunkte der Auseinandersetzung.

Seit Montag wirkt Jurk entfesselt und selbstsicher wie nie zuvor. „Die SPD muss mit mir Glaubwürdigkeit zurückgewinnen!“, hat er sich auf die Fahnen geschrieben. „Die Menschen sollen uns wieder stärker als Vertreter des kleinen Mannes wahrnehmen.“ Er setzt auf sächsisches Profil der SPD und fordert deshalb offensiv das Versprechen von Bundeskanzler Gerhard Schröder ein, seinem Parteifreund, im Osten für mehr Arbeitsplätze zu sorgen.
(Von Stefan Rössel)