Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 01.07.2004

Neue Unruhe im Rathaus

Stress für Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee: Kein Ende der Skandale
 
Das Unheil klopfte pünktlich neun Uhr an die Tür. Fünf Staatsanwälte und 68 Polizisten standen gestern vor den Büros und Wohnungen von Leipziger Rathausmitarbeitern sowie Angehörigen mehrerer Baufirmen. In vier Bundesländern gleichzeitig suchten die Fahnder der sächsischen Sondereinheit zur Korruptionsbekämpfung (Ines) nach Unterlagen, die ihren Verdacht bestätigen, dass es nämlich beim Umbau des Alten Rathauses teure Mauscheleien gab. Rund 400 000 Euro Schaden sollen der Stadt dabei entstanden sein.

Obwohl vor allem Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD) immer wieder beteuert, von den Vorgängen erst im Nachhinein erfahren zu haben und nun auf zügige Aufklärung drängt, kommt der neuerliche Rummel für ihn zur Unzeit. Erst in der vergangenen Woche hatte das Regierungspräsidium Leipzig erneut disziplinarische Vorermittlungen gegen ihn eingeleitet. Tiefensee soll den Stadtrat und auch seine Verwaltung wiederholt nicht über wichtige Angelegenheiten informiert haben. Ähnliche Vorwürfe gibt es auch in der aktuellen Bau-Affäre, obwohl sich diese dort hauptsächlich gegen Tiefensees mittlerweile suspendierten Stadtkämmerer Peter Kaminski (CDU) richten. Doch weitere Dinge kratzen derzeit am Renommee des Leipziger Rathauschefs. So wurde der Beigeordnete Andreas Müller (SPD) soeben zu einer Strafe von 16 800 Euro verdonnert, weil auch er einst den Stadtrat nur ungenügend über einen Prüfbericht zum inzwischen geschlossenen Beschäftigungsbetrieb „bfb“ informierte. Dies ist natürlich auch eine kräftige Watsche für Tiefensee, von dem kritische Insider jetzt behaupten: „Er hat seinen Laden einfach nicht im Griff.“

Das aufwendige Vorgehen der Fahnder pünktlich zum Beginn des sächsischen Landtagswahlkampfes sorgte aber auch für Kritik. So wurde Kaminski-Anwalt Stefan Heinemann von der Großrazzia während eines Urlaubs in Brasilien überrascht. Nichtsdestotrotz ist sich der Jurist sicher: Was hier passiert, sei völlig unnötig, da die Vorwürfe gegen seinen Mandaten seit langem bekannt wären und in Ruhe geprüft werden könnten. Andere wurden hinter vorgehaltener Hand deutlicher: Die neue Ines-Truppe müsse mit solchen Aktionen offenbar ihre Existenzberechtigung nachweisen.
(Von Gunnar Saft)