Karl Nolle, MdL

Neues Deutschland - ND, 12.08.2004

Spekulationen, Gerüchte und Intrigen im Fall Porsch

Offenbar Kritik in der sächsischen PDS am Umgang des Landtagswahl-Spitzenkandidaten mit IM-Vorwürfen
 
Für eine Stasi-Zusammenarbeit des sächsischen PDS-Spitzenmannes Peter Porsch gibt es weiterhin keine Beweise. Interessenlagen und die Vorgeschichte des angeblichen Falles rücken in den Mittelpunkt.

Wer hat den Stein gegen Peter Porsch ins Rollen gebracht? Zunächst bestritt Peter Adler, der für die SPD-Fraktion in der Verfassungsschutz-Kontrollkommission des sächsischen Landtages sitzt, energisch alle Unterstellungen, über ihn , könnten Hinweise auf Porsche Kontakte mit der Hauptverwaltung Aufklärung (NVA) des MIS an die Presse gelangt sein. Von entsprechenden Vermutungen in der, PDS hatte auch das ND berichtet;' Ein solcher Geheimnisverrat wäre als Straftat verfolgt worden. SPD Chefaufklärer Karl Nolle will nach eigenen Angaben allerdings schon vor Monaten gehört haben, daß Stasi-Verdächtigungen gegen ein führendes PDS-Mitglied »herumgeistern«. Ein konkreter Name sei ihm aber zunächst nicht bekannt gewesen.

Die Anfrage des: Magazins »Focus« an die Birthler Behörde nach möglichen bisher nicht bekannten Stasi-Akten über Peter Porsch erfolgte bereits im November des Vorjahres. In auffälliger zeitlicher Nähe dazu stellten allerdings; alle 29. Abgeordnete der PDS-Fraktion einen Antrag auf Selbstauskunft beim sächsischen Verfassungsschutz. Die Ergebnisse seien persönlich mitgeteilt worden. Es habe auch, keine Debatte in der Fraktion über mögliche Konsequenzen gegeben, bekräftigt Pressesprecher Marcel Braumann. Dennoch will SPD Mann Nolle seit Wochen konkret gewußt haben, daß Porsch über den kurzen Hinweis auf HVA-Kontakte informiert war.

Über den Umgang mit diesem Vorwissen kursieren wiederum Gerüchte, die offensichtlich auch aus PDS-Kreisen gestreut werden, die Porsch nicht wohlgesonnen sind. Angeblich soll, es einen lauten Disput über die Frage gegeben haben, warum der PDS-Spitzenkandidat nicht in die Offensive gegangen ist, wenn er ein reines Gewissen habe. Der in dem Zusammenhang erwähnte arbeitsmarktpolitische Sprecher Karl-Friedrich Zais aus Chemnitz dementierte solche Berichte vehement. Auch er sei am vergangenen Wochenende von den Meldungen überrascht worden und stehe weiter voll hinter dem Spitzenkandidaten Porsch.

SPD-Kämpfer Nolle beruft sich allerdings auch auf Porsch-Kritiker in der PDS. wenn er von einem unprofessionellen Umgang Porschs mit den Vorwürfen spricht. Er hätte besser vorbereitet sein und mediengerechter reagieren können. In der Tat wirkt der schlagfertige Ex-Wiener derzeit konsterniert und gereizt. Seine Interessen vertritt jetzt der Rechtsanwalt René Gessel aus der Potsdamer Kanzlei des ehemaligen DDR-Innenministers Peter Michael Diestel (CDU). Eine Klage gegen die die Stasiakten verwaltende Birthler-Behörde befindet sich in Vorbereitung.

Die Diskussion um inoffizielles Vorwissen erübrigt sich im Grunde, weil die Birthler Behörde bereits Mitte Juli ganz offiziell den Landtag und das Dresdner Wissenschaftsministerium über die Aktenherausgabe an den »Focus« informiert hatte. Wegen der Urlaubszeit blieb Post jedoch teilweise ungeöffnet liegen. Es ist dennoch ein Politikum, daß die Behörde mehr als sieben Monate nach Akten forschte, um sie dann drei Wochen vor Beginn des Landtagswahlkampfes in Sachsen herauszugeben.

Ein ehemaliger Mitarbeiter der Hauptverwaltung Aufklärung sagte gegenüber dem ND, ein junger Mann wie; Porsch hätte damals wegen seiner österreichischen Herkunft, seiner Überzeugungen, und seiner fachlichen Spezialisierung als Germanist gut ins Zielprofil der HVA passen können. Es sei aber üblich gewesen, solche Quellen »unter fremder Flagge« abzuschöpfen, also durch Personen ihres Vertrauens. die sich eine Legende zugelegt hatten. Ohne ihr Wissen seien viele so jahrelang als IM geführt worden. Eine Verpflichtungserklärung erübrige sich so von selbst und sei im übrigen; eher ein Hinweis auf Mißtrauen gewesen. In der HVA, die sich selbst als Elite innerhalb des MfS verstand, sei der Ehrgeiz zur Informationsbeschaffung besonders ausgeprägt gewesen. Eine zeitweilige "Ausleihe« an eine regionale Dienststelle, wie im Fall Porsch bei einer Leipziger Lesung 1984 behauptet, wäre sehr ungewöhnlich, weil eine solche Person beim kleinsten Fehler »verbrannt« werden konnte.
(Von Michael Bartsch, Dresden)