Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 17.08.2004

Neues Indiz: Reisen nach Jugoslawien

 
Leipzig/Dresden. Peter Porsch, sächsischer PDS-Spitzenmann zur Landtagswahl und mutmaßlicher Stasi-Spitzel, gerät immer stärker unter Druck. Nach Informationen unserer Zeitung gibt es Indizien, dass Porsch 1970 in Westberlin von der Stasi angeworben wurde und 1973 in die DDR kam, um einer Enttarnung zu entgehen.

Hubertus Knabe, ehemals Forscher in der Stasi-Unterlagen-Behörde und heute Chef der Gedenkstätte im Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen, stieß Anfang der 90er zufällig auf Porsch - an der Universität Ljubljana. "Herr Porsch trat dort seit vielen Jahren als Gast auf. Das hat mich gewundert, denn normalerweise durften DDR-Bürger nicht nach Jugoslawien reisen", sagte Knabe gestern gegenüber unserer Zeitung.

Angst vor Verhaftung?

Ein pikantes Detail. Aus bisher bekannten Stasi-Akten geht hervor, dass für Porsch "aus operativen Gründen" ein Reiseverbot in Nato-Staaten galt. Flüge nach Jugoslawien ja, ins Nato-Gebiet nein - eine solche Differenzierung ist schwer erklärbar. Sie galt aber, wenn Mitarbeitern auf Nato-Gebiet eine Verhaftung drohte.

Porsch lehnt derzeit Auskünfte ab, seine Anwälte verbreiteten gestern eine Erklärung: "Gegenüber Professor Porsch hat sich zu keinem Zeitpunkt ein DDR-Geheimdienstler als solcher zu erkennen gegeben und demzufolge ist er auch zu keinem Zeitpunkt zu einer Zusammenarbeit mit dem DDR-Geheimdienst aufgefordert worden." Als "Mann mit sozialistischen Idealen" habe er "gegenüber Gesprächspartnern in der DDR keinen Argwohn gehegt".

Porsch war nach eigener Darstellung 1973 als Übersiedler in die DDR gekommen. "Übersiedler", so Knabe, "kamen in der DDR in Aufnahmelager und dort keinesfalls an der Stasi vorbei." Dass ein Betroffener bei den äußerst intensiven Befragungen nicht merkte, mit wem er es zu tun hatte, sei kaum vorstellbar.

Stasi-Agenten blieb die Internierung allerdings erspart. "Ich musste in kein Lager", bestätigte Erich Z. unserer Zeitung. Für den damaligen hessischen Regierungsrat und Mielke-Spion, der 1979 aus Furcht vor Enttarnung mitsamt seiner Familie nach Leipzig floh, besorgte die Leipziger Stasi einen Job an der Uni und eine Fünf-Zimmer-Neubauwohnung.

Tauchstation Uni Leipzig

Laut Stasi-Akten soll Porsch seit 1970 IM gewesen sein. Das Uni-Archiv lehnt Auskünfte zu dem Fall ab. Umso aufschlussreicher ist im Nachhinein ein Gespräch, das unsere Zeitung vor zwölf Monaten mit dem Archiv-Chef führte: Die Leipziger Universität, so erklärte Gerald Wiemers 2003, habe einst zu den bevorzugten Tauchstationen für Stasi-Agenten gezählt. 1973 und 1979 seien eine ganze Reihe in unterschiedlichsten Fachrichtungen untergebracht worden. Bei einigen sei die Vergangenheit offenkundig gewesen, bei anderen sollte sie verschleiert werden.

Das würde auf Porsch passen. Er kam 1973 nach Leipzig, erhielt eine Assistentenstelle, stieg 1988 zum Professor auf. Laut Universitätssprecher Volker Schulte hat Porsch Anfang der 90er schriftlich erklärt, nicht bei der Stasi gewesen zu sein. Die Personalkommission der Uni will den Fall noch in diesem Monat neu bewerten.
(Armin Görtz/ Sven Heitkamp)