Karl Nolle, MdL

Agenturen ddp-lsc, 17 :58 Uhr, 17.08.2004

Ein James Bond bei der PDS?

«Welt»: Porsch hat Literaturkritiker Corino bespitzelt - Knabe nennt Fall «sehr gut dokumentiert»
 
Leipzig/Dresden (ddp-lsc). Der unter Stasi-Verdacht stehende sächsische PDS-Spitzenkandidat zur Landtagswahl, Peter Porsch, gerät immer stärker unter Druck. Der Berliner Historiker Hubertus Knabe sagte dem Radiosender MDR INFO, es sei «sehr gut dokumentiert», dass Porsch für die Überwachung von Lesungen am Rande der Leipziger Frühjahrsmesse Mitte der 80er Jahre eingesetzt worden sei. Nach Informationen der «Leipziger Volkszeitung» (Dienstagausgabe) gibt es Indizien, dass der gebürtige Wiener Porsch 1973 in die DDR kam, um in Westberlin einer Enttarnung als Stasi-Spion zu entgehen.

Anfang des Monats waren Akten der Birthler-Behörde bekannt geworden, die den Verdacht einer Stasi-Tätigkeit Porschs nahe legen. Dem 59-Jährigen wird vorgeworfen, seit 1970 als IM «Christoph» bei der DDR-Auslandsspionage geführt worden zu sein und später über die Leipziger Literaturszene sowie seine damalige Freundin und heutige Frau berichtet zu haben. Porsch bestreitet dies und hält es nach eigenen Angaben allenfalls für möglich, dass er ohne sein Wissen «abgeschöpft» wurde.

Knabe, ehemals Forscher in der Stasi-Unterlagen-Behörde und heute Chef der Gedenkstätte im Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen, stieß laut «Leipziger Volkszeitung» Anfang der 90er Jahre zufällig auf Porsch - an der Universität Ljubljana. «Herr Porsch trat dort seit vielen Jahren als Gastdozent auf. Das hat mich gewundert, denn normalerweise durften DDR-Bürger nicht nach Jugoslawien reisen», sagte Knabe der Zeitung. Aus den bisher bekannten Stasi-Akten geht hervor, dass für Porsch «aus operativen Gründen» kein Einsatz in einem NATO-Staat erfolgen durfte. Eine solche Differenzierung - Flüge ins damals blockfreie Jugoslawien erlaubt, aber nicht ins NATO-Gebiet - habe es gegeben, wenn Mitarbeitern auf NATO-Gebiet eine Verhaftung drohte, schreibt das Blatt.

Porsch war nach eigener Darstellung 1973 aus Liebe zu seiner späteren Frau und zum Sozialismus in die DDR übergesiedelt. Nach Darstellung seiner Anwälte, mit denen gemeinsam er sich am Donnerstag in Dresden den Vorwürfen stellen will, hat sich nie ein Gesprächspartner ihm gegenüber als Stasi-Mitarbeiter zu erkennen gegeben.

Der Tageszeitung «Die Welt» (Mittwochausgabe) liegt laut Vorabbericht ein Dokument vor, das die wissentliche Arbeit von Porsch für den DDR-Geheimdienst bestätigen soll. Dabei handele es sich um einen von IM «Christoph» unterzeichneten Bericht vom März 1985, in dem der Inoffizielle Mitarbeiter die Bespitzelung des westdeutschen Literaturkritikers Karl Corino aus Anlass der Leipziger Frühjahrsmesse selbst schildere. Nach Angaben des Blattes soll angeblich auch Porschs heutige Frau für eine Werbung als IM vorgesehen gewesen sein.
(von Tino Moritz)

ddp/tmo/roy
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