Karl Nolle, MdL

Lausitzer Rundschau, 26.08.2004

Wir werden uns um die Lausitz kümmern”

RUNDSCHAU-Interview mit Thomas Jurk (SPD)
 
Thomas Jurk (42) aus Weißkeißel, Spitzenkandidat, Fraktionschef und amtierender Parteivorsitzender der SPD in Sachsen will den Sozialdemokraten nach dem 10,7-Prozent-Debakel von 1999 einen besseren Platz im Dresdner Landtag erkämpfen.

Herr Jurk, trotz aller Proteste soll Hartz IV ohne weitere Veränderungen umgesetzt werden. Als sächsische SPD tragen Sie dafür Mitverantwortung. Stehen Sie zu dem aktuellen Reformwerk?

Für uns Sozialdemokraten in Sachsen war es ein großer Erfolg, dass einzelne unserer Ziele verwirklicht wurden. Die drohende Zahlungspause im Januar ist abgewendet, die Freibeträge für Sparguthaben von Kindern sind korrigiert. Andere Wünsche wie der Verzicht auf die Datschen-Anrechnung werden auf dem Verordnungsweg geklärt. Ohnehin wird die Realität zeigen, dass Betroffene ihre Datschen nicht verkaufen müssen, weil der Markt dies gar nicht hergibt. Aufgabe von Politik ist es nun, die Menschen in Arbeit zu bringen.

Im aktuellen Protest äußert sich aber genau der Unmut über fehlende Arbeitsplätze. Was sagen Sie denen?

Wir geben doch vielen Menschen wieder eine Perspektive. Die allein erziehende Sozialhilfeempfängerin ohne Ausbildung und ohne Job wird in die Arbeitsvermittlung aufgenommen und bekommt eine Chance von der Bundesagentur für Arbeit. Die Kommunen erhalten von der Bundesregierung eine Milliarde Euro für neue Beschäftigungsmaßnahmen in den Bereichen Sport, Jugend oder Kultur. So entstehen viele neue Möglichkeiten, über die wir jetzt intensiv reden müssen.

Auch über Ein-Euro-Jobs?

Als Aufwandsentschädigung für einfache Jobs geht das in Ordnung, weil ja die 331 Euro Grundsicherung dazukommen. Damit blieben rund 500 Euro pro Monat zum Leben und die Miete und Heizung ist auch schon bezahlt. Ein-Euro-Jobs dürfen aber keine regulären Arbeitsverhältnisse bedrohen oder gar ersetzen. Wir fordern Mindestlöhne: Wer Vollzeit angestrengt und tüchtig gearbeitet hat, muss sich und seine Familie davon ernähren können.

Die Genossen in Berlin haben Ihnen zuletzt mehr geschadet als geholfen. . .

Bei Kanzler Gerhard Schröder habe ich ein gutes Gefühl. Er wird uns im Wahlkampf unterstützen und weiß über die Probleme im Osten besser Bescheid als Wolfgang Clement. Von dem Minister hätte ich mir mehr Verständnis gewünscht. Ich möchte aber keine neue Ost-West-Debatte führen.

Viele Wähler sind von der SPD maßlos enttäuscht. Warum sollte man ihr hier noch die Stimme geben?

Weil es um ganz Sachsen geht. Vergleichen wir nur mal die Lausitz, die kontinuierlich die höchsten Arbeitslosenquoten hat, mit dem aufblühenden Dresden. Unsere Region ist von der Staatsregierung sträflich vernachlässigt worden. Das wird die SPD ändern. Wichtig ist auch die Bildungspolitik: Wir haben aus den Erfahrungen der erfolgreichen Pisa-Länder gelernt und ziehen Konsequenzen: mehr Lehrer, mehr Schulstandorte und mehr Ganztagsangebote, kleinere Klassen, kostenlose Betreuung in Kindertagesstätten und Verzicht auf Studiengebühren. Mit einer besseren Versorgung bekämpfen wir auch den Kindermangel und sichern die Sozialsysteme.

Sollte die CDU die absolute Mehrheit verlieren, gelten sie als möglicher Koalitionspartner. Steht die SPD bereit?

Die neuen Umfragen sind spannend und man muss mit anderen Parteien regieren können. Unsere Gradmesser sind dabei die Programmatik und die Personen. Sollten sich etwa die Stasi-Vorwürfe gegen PDS-Kandidat Peter Porsch bestätigen, kann ich mit ihm nicht zusammenarbeiten.

Die SPD hat einen harten internen Machtkampf hinter sich und ist mit zehn Prozent keine Volkspartei mehr. Wie stark ist die SPD noch?

In manchen Regionen sind wir noch immer eine Volkspartei. Aber wir müssen uns strukturell und inhaltlich neu aufstellen und für die Bürger öffnen. Die Kandidaten ziehen jetzt zumindest alle an einem Strang. Weitere Personalfragen klären sich nach der Wahl.
(Mit THOMAS JURK sprach Sven Heitkamp)