Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 28.08.2004

Der Professor bleibt trotzig

 
Leipzig. "Und jetzt spricht einer zu uns, der weiß, wie es geht", ruft Peter Frenkel. Der Geher-Olympiasieger von 1972 moderiert den Wahlkampfauftakt der Sachsen-PDS und ist ganz aus dem Häuschen, als Lothar Bisky die Bühne auf dem Leipziger Burgplatz betritt. Der Bundesvorsitzende ist auch Fraktionschef in Brandenburg, wo die PDS sich anschickt, stärkste Partei im Landtag zu werden. "Ihr zeigt uns Sachsen ja wie es geht. Getreu der alten Ulbricht-Devise vom Überholen ohne einzuholen", kalauert Frenkel. Doch die Ironie kommt bei Bisky nicht so gut an. Er grummelt etwas Unverständliches in sich rein und beginnt unter Mikrofonproblemen seine Rede.

Wahlkampf ist Sprücheklopfen auf mäßigem Niveau. Da nehmen sich die Parteien nichts. In dieser Hinsicht ist die PDSim Bundesdeutschland angekommen. Man muss nicht viel argumentieren. Man ist ja unter sich. Man spricht sich gegenseitig Mut zu für die Wochen bis zur Landtagswahl, nach der die Sozialisten die Alleinherrschaft der CDU gebrochen sehen wollen. Der Sympathiezuwachs, den Umfragen der Partei derzeit bescheinigen, drückt sich beim Wahlkampfauftakt indes nicht in Besuchern aus. Zwischen bunten Luftballons, Stelzenmann, Clown und Popcorn wirken die etwa 200 älteren Zuschauer leicht fehlplatziert. Alt-Kabarettist Edgar Külow traut sich sogar, seine Zuhörer "gehobenen Alters" mit "Rot Front" zu begrüßen.

Die DDR geistert mitunter tüchtig über den Burgplatz. Nicht nur mit Frenkels Ulbricht-Zitat. Parteichef Bisky hat das Hartz-IV-Gesetz zum Kern seiner Rede gemacht. Die Hartnäckigkeit, mit der die Bundesregierung an der ostweit angefeindeten Sozialreform festhält, packt Bisky in ein leicht abgewandeltes Honecker-Zitat: "Hartz IV in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf." Solche Sprüche garantieren mindestens ebenso heftige Lacher wie seine politischen Botschaften Zuspruch. Von Wiedereinführung der Vermögenssteuer ist da die Rede, von Armut per Gesetz, von Geldsparen durch Abrüstung und von gleicher Belastung aller. Doch die Pointe des ironisierten Honeckerspruchs geht nicht auf. Denn der Sozialismus endete sehr wohl sehr abrupt. Die PDS wird Hartz IV dagegen kaum stoppen.

Sie haben das Gesetz nicht selbst gebastelt, wie alle Redner beteuern. Gleichwohl scheint es ihnen auf den Leib geschneidert. Denn niemand profitiert im Moment so von dieser bevorstehenden Reform wie die PDS. Da lässt es sich leicht wettern. "Nicht Almosen sondern Arbeit brauchen die Leute", ruft Thüringens oberster Genosse Bodo Ramelow von der Bühne. Und auch er kommt auf die Es-war-nicht-alles-schlecht-Tour zurück. Die DDR habe mehr Erhaltenswertes gehabt, als Grünen Pfeil und Ampelmännchen. Nun aber sei sie an allem schuld und damit die PDS. Sogar die Staatsverschuldung der Bundesrepublik werde ihr vorgeworfen. Ramelow gibt den trotzig-ironischen Prügelknaben und ruft: "Lasst uns gemeinsam schuld sein."

Dann begrüßt er Professor Peter Porsch. Der Professor werde nun sprechen. Ein halbes Dutzend Mal nimmt Ramelow Porschs Titel in den Mund. Als Anspielung auf dessen Kündigung wegen angeblicher Stasidienste. Sachsens PDS-Fraktionsvorsitzender selbst geht kaum darauf ein. Er bedankt sich kurz, dass ihm so viele Mut zusprechen. "Vielleicht werden wir uns am 19. September abends für die Hilfe bedanken", meint er vielsagend. Dann knöpft er sich die "selbstherrlich regierende" CDU Sachsens vor, wettert gegen die hohe Arbeitslosigkeit, die Abwanderung aus Sachsen und den "schwarzen Filz", den es wieder durch Demokratie zu ersetzen gelte. "Davon wird uns niemand abbringen", muss Sachsens PDS-Chefin Cornelia Ernst doch noch einmal auf Porschs Entlassung anspielen. Trotz ist offensichtlich ein gutes Gefühl.
(von Andreas Friedrich)