Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 30.08.2004

Druck auf Regierung wächst

Neuer Vorwurf / Sammelklage der Sachsenring-Aktionäre
 
Dresden. In der Subventionsaffäre um den Dresdner Chip-Hersteller ZMD bleibt die Staatsregierung unter Druck. Nach der Strafanzeige des Landtagsabgeordneten Karl Nolle (SPD) gegen Ministerpräsident Georg Milbradt, Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (beide CDU) und weitere Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums hat jetzt auch der ehemalige Chef der Sachsenring Automobiltechnik AG (SAG), Ulf Rittinghaus, juristische Konsequenzen angekündigt. Wie die SZ gestern erfuhr, ist nach den Enthüllungen der Vorwoche eine Sammelklage von SAG-Aktionären geplant.

Gestützt auf interne Papiere des Wirtschaftsministeriums hatte die SZ berichtet, dass zwischen 1994 und 1997 rund 21,5 Millionen Euro Steuergelder an das Dresdner Zentrum für Mikroelektronik geflossen sind – ausgewiesen als „Technologieförderung“. Nach Aktenlage stand die Verwendung „nicht unmittelbar mit F/E-Projekten im Zusammenhang“, also für Forschung und Entwicklung. Danach wurde die Zahlung in Brüssel weder angemeldet noch genehmigt. Das Wirtschaftsministerium versprach „lückenlose Aufklärung“, sieht aber „keinen Grund zur Panik“.

Ex-Sachsenring-Chef Rittinghaus glaubt sich bestätigt, 1998 beim Kauf von ZMD über die Beihilfen-Altlast „arglistig getäuscht“ worden zu sein. Dazu zählten neben jenen „F/E-Millionen“ auch 125 Millionen Mark Anschubfinanzierung, die bei der „Scheinprivatisierung“ 1993 an ZMD geflossen seien. Rittinghaus unterstellte „Fördermittelbetrug, Bilanzfälschung und Insolvenzverschleppung“. Der Freistaat habe den Verkauf genutzt, Altbeihilfen in Brüssel zur Genehmigung vorzulegen, ohne den Käufer zu informieren. Das sich hinziehende Verfahren habe Sachsenring in die Insolvenz getrieben. Den Gesamtschaden für alle Aktionäre (Rittinghaus und sein Bruder halten 33 Prozent), Gläubiger und die Dresdner Global Asic GmbH als aktueller ZMD-Mehrheitseigner bezifferte Rittinghaus mit 345,3 Millionen Euro.

Am Wochenende schrieb „Der Spiegel“ von einer Kreditbürgschaft des Wirtschaftsministeriums von 1998 über drei Millionen Mark (1,53 Millionen Euro) an ZMD, obwohl ein Kabinettsbeschluss weitere Finanzhilfe für den Ex-Staatsbetrieb untersagt hatte. Der damalige Finanzminister und heutige Premier Milbradt soll die Rettung – eine in Brüssel ebenfalls nicht angemeldete Beihilfe – abgesegnet haben. Das Finanzministerium wies die Vorwürfe gestern zurück. Milbradt habe lediglich akzeptiert, dass das Ministerium „die Zahlungsfähigkeit von ZMD in geeigneter Weise und in eigener finanzieller Verantwortung sicherstelle.“ Zudem seien „mehrere hundert Arbeitsplätze gesichert“, die Patronatserklärung „niemals in Anspruch genommen worden“.
(von Michael Rothe)