Karl Nolle, MdL

mdr online nachrichten, 27.08.2004

ZMD-Affäre: Internes Schreiben belastet Ex-Minister Schommer

 
Sachsens ehemaliger Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) war offenbar über Unregelmäßigkeiten bei staatlichen Hilfen für das Chipunternehmen Zentrum für Mikroelektronik Dresden (ZMD) informiert. In einem MDR.DE vorliegenden internen Papier aus dem Jahr 2000 wird Schommer von einem Abteilungsleiter seines Hauses gewarnt, dass Zuwendungen in Höhe von 42 Millionen Mark (heute: 21,5 Millionen Euro) an den Chiphersteller nicht den EU-Richtlinien entsprächen.

Empfehlung: Dicht halten

Schommer wird in dem Schreiben darauf hingewiesen, dass die EU-Kommission die zwischen 1993 und 1996 geleisteten Zahlungen nicht genehmigen würde. Der Abteilungsleiter weist seinen Minister darauf hin, dass ZMD den Millionen-Betrag nicht hätte zurückzahlen können. Gleichzeitig würde auch die Sachsenring AG in Schwierigkeiten geraten, die den Chiphersteller 1999 übernommen hatte. Schommer wird mitgeteilt, dass die Zahlungen so lange vor der Brüsseler Behörde verschwiegen werden, bis diese über ein Prüfverfahren entschieden hat.

Sachsen Ex-Wirtschaftsminister Schommer sieht keine Verstöße

Schommer bezeichnete das von ihm abgezeichnete und von ihm zur Vorlage beim damaligen Ministerpräsidenten Biedenkopf empfohlene Schreiben als Irrtum. Der Abteilungsleiter sei "auf dem falschen Dampfer", was er "nach meiner Intervention auch schnell erkannt" habe. Für die umstrittenen 42 Millionen Mark hätten alle erforderlichen Zuwendungsbescheide und Verwendungsnachweise vorgelegen und seien der EU gemeldet worden.

Aus anderen internen Akten des Wirtschaftsministeriums, der Sächsischen Aufbaubank und von ZMD war zuvor bekannt geworden, dass die 42 Millionen Mark nicht zur Technologieförderung verwendet worden sein sollen, sondern um möglicherweise Verluste des Chipherstellers auszugleichen. Der Freistaat soll dies der EU-Kommission bis vor kurzem verschwiegen haben.

Neue Ministeriumsspitze ist sich weniger sicher als Schommer

Die amtierende Spitze des sächsischen Wirtschaftsministeriums räumte zumindest die Möglichkeit ein, dass es bei der Zahlung an ZMD zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Staatssekretärin Andrea Fischer sagte, wegen entsprechender Verdachtsmomente seien die Akten an die Staatsanwaltschaft übergeben worden. Die verantwortlichen Mitarbeiter würden befragt.

Vorzeigebetrieb in der DDR

ZMD war 1961 gegründet worden und galt neben Robotron als Vorzeigebetrieb der DDR-Mikroelektronikindustrie. Das Anfang der 90er Jahre drohende Aus wurde mit Steuergeldern abgewendet. Das Land verkaufte die Firma schließlich zum Jahresende 1998 an den Automobilzulieferer Sachsenring AG, der sich seit 2002 im Insolvenzverfahren befindet. Im vergangenen Jahr erzielte ZMD mit 750 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 80 Millionen Euro.