Karl Nolle, MdL
www.faktuell.de, 10.09.2004
"Hofberichterstattung haben wir in Sachsen schon häufig moniert..."
Gegenwehr: Kommentar von Christopher Ray
Hofberichterstattung haben wir in Sachsen schon häufig moniert... Das hat sich auch nach der Abdankung des kleinen Königs Kurt nicht geändert. Aktuell zeigt sich das in den Lobeshymnen, die die regionalen Medien in Sachsen auf den Biedenkopfnachfolger Milbradt von sich geben. Der ist gerade zum Ministerpräsidenten des Jahres gekürt worden, und lässt sich entsprechend feiern.
Allerdings segelt die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die maßgeblich die Wahl Milbradts bestimmt hat, unter falscher Flagge. Es handelt sich nicht etwa um eine unabhängige Gruppe, sondern um eine Interessenvertretung der Arbeitgeberverbände, die über ein entsprechendes Budget von rund 100 Millionen €uro verfügen soll.
Sicher ist das auch den Kollegen der Sächsischen Printmedien bekannt, die Milbradt 10 Tage vor der Landtagswahl (!!!) entsprechend feiern. Ohne zu hinterfragen, wie erfolgreich ein Ministerpräsident und seine Staatsregierung, die mit wachsenden Arbeitslosenzahlen und einer ständig steigenden Zahl von Langzeitarbeitslosen gesegnet ist, denn wirklich sein kann. Eine CDU-Regierung, die seit der Wende ununterbrochen alleinverantwortlich diesen Freistaat regiert. Mit Skandalen, von Paunsdorf bis zur SAG/ZMD, die nur an vermeintlich orientalischen Verhältnissen zu messen sind.
Doch was machen die ehemaligen SED-Bezirkszeitungen (Zitat PDS) - sie greifen massiv zu Gunsten Milbradt und Sachsen-CDU in den Wahlkampf ein. Ersetzen die Berichterstattung über die (immerhin) zweitstärkste Kraft im Freistaat durch Boulevard-Journalismus.
Doch die PDS wehrt sich. Da diese Gegenwehr in den meisten Blättern unter den Tisch gekehrt wird, übernehmen wir die Informationspflicht, und machen sie hiermit öffentlich. Nicht im Interesse einer Partei, sondern im Interesse unserer Leser und der Pressefreiheit.
Christopher Ray
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Offener Brief an Hans Eggert, Chefredakteur der„Sächsische Zeitung"
von Rico Gebhardt, PDS-Landesgeschäftsführer.
Sehr geehrter Herr Eggert,
Sie weigern sich seit einer Woche, ein Wahlforum mit dem PDS-Spitzenkandidaten Prof. Dr. Peter Porsch abzudrucken und verletzen damit die journalistische Fairness und das Gebot der Gleichbehandlung der demokratischen Parteien. Aus diesem Grund sehe ich mich nunmehr veranlasst, Ihnen diesen Offenen Brief zu schreiben.
Gleich Ihnen bin ich vom Wert der Geschichte überzeugt. Deshalb folge ich Ihrer Anmerkung gegenüber dem mdr-Magazin „mittendrin" Ende 2003/Anfang 2004: „Geschichte? Nur wer ignorant ist, kommt an ihr vorbei. Ich mag keine Gegenwart ohne Geschichte. Sie hilft beim täglichen Versuch, Gegenwärtiges zu durchschauen."
Sicher nicht allein aus diesem hehren Grund befassen Sie sich und das Ihnen anvertraute Blatt „Sächsische Zeitung" seit einiger Zeit mit der DDR-Geschichte von Herrn Professor Dr. Peter Porsch. Sie tun das hingebungsvoll. Detailliert werden Stasi-Vorwürfe aufgelistet und akribisch historische Akten aus der Gauck-Birthler-Behörde abgedruckt. Unbeirrt wird an den mittelalterlichen Pranger gestellt und skrupellos die beachtliche Biographie von Herrn Professor Dr. Peter Porsch auf Stasi-Papiere reduziert.
Imponierend Ihre Kampfansage: „Wir setzen uns mit allen Mitteln gegen diesen Angriff auf die Pressefreiheit zur Wehr." Leider wandten Sie sich damit nicht gegen Ihren und Ihres Blattes Missbrauch der Pressefreiheit, sondern Ihr Zorn richtete sich gegen den angegriffenen Mann, der von seinem grundgesetzlich gesicherten Recht auf Verteidigung Gebrauch macht.
Da waltet wohl der Böse-Buben-Grundsatz: „Was denn, der verteidigt sich noch? Da kriegt er noch eine reingewürgt." Soviel zur Fairness.
Legen Sie gelegentlich Ihren moralisch-rechtlichen Maßstab an sich selbst und Ihr Blatt? Denn ganz ohne DDR-Geschichte sind Sie ja auch nicht durchs Leben gekommen. Immerhin haben Sie zwischen 1979 und 1986 als Chefredakteur der „Jungen Generation" und des „Forum" sowie als Stellvertretender Chefredakteur der FDJ-Tageszeitung „Junge Welt" das Hohelied des Sozialismus gesungen.
Sie und Ihresgleichen haben - wie man dank der Wende erfuhr - tausendfach Lügen verbreitet, das eigene Land schöngeschrieben und die politischen Gegner als Kriegspolitiker, Militaristen und Revanchisten des Imperialismus, kurz: als imperialistisch-militaristische Menschheitsfeinde geschmäht.
Ich werfe Ihnen das nicht vor, wie es etwa Otto Köhler in seinem anklagenden Buch „Unheimliche Publizisten - die verdrängte Vergangenheit der Medienmacher" mit Ihnen als Negativbeispiel getan hat. Ich bitte nur, bei Anklagen im Namen der Geschichte die eigene Geschichte nicht zu vergessen.
Auch nicht, dass Sie am 6. November 1989 - kurz vor dem Mauerfall - von der SED als Chefredakteur in die „Berliner Zeitung" lanciert und von linientreuen Kollegen in bekannter DDR-Manier „gewählt" worden sind. Gleich nach der Maueröffnung bedanken Sie sich für die Beförderung mit dem kämpferischen Kommentar „Die Mauer in Berlin wegreißen?", in dem Sie schreiben: „Das Geschrei und die gewalttätigen Angriffe auf Grenzanlagen macht bange. Und sie machen deutlich, wie gut ein gut organisiertes Grenzregime letztlich sein kann... Die Mauer wegreißen?...eine gesicherte Grenze braucht es derzeit wohl weiter."
Mit Schusswaffengebrauchsbestimmungen, Herr Eggert?
Empfinden sie heute Scham, dass Sie den dynamischen Befreiungs- und Wiedervereinigungsprozess glaubten staatlich reglementieren resp. dämpfen zu können?
Wieder kein Wort des Vorwurfs von mir. Statt dessen halte ich es mit dem Hamburger Großverlag Gruner+Jahr, der Sie trotz alledem zum Chefredakteur der „Berliner Zeitung" und später der „Sächsischen Zeitung" bestellte. Der darüber hinwegsah, dass Sie als Persönlicher Referent von FDJ-Chef Eberhard Aurich fungierten und für Egon Krenz flammende Reden schrieben.
Man brachte Ihnen ein immens hohes Maß an Toleranz und großes Vertrauen entgegen; denn Gruner+Jahr war und ist Ihre SED-Vergangenheit bekannt. Zu der - wie allgemein üblich - das regelmäßige Kontaktieren von Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit gehörte.
Mussten Sie als Chefredakteur resp. Stellvertretender Chefredakteur nicht Auskünfte über Ihre Mitarbeiter geben?
Etwa vor Auslandseinsätzen?
Hatten die Blätter der SED-Bezirksleitungen - ob sie nun „Berliner Zeitung", „Sächsische Zeitung", „Leipziger Volkszeitung" oder sonst wie hießen - nicht direkten oder indirekten Anteil an der Arbeit der MfS-Bezirksleitung?
Dennoch hielt Gruner+Jahr zu Ihnen. Bei der „Berliner Zeitung", flog praktisch kein Redakteur wegen seiner Vergangenheit, seiner Historie, seiner Biographie auf die Straße.
Was Sie sich und Ihrem Blatt zugestehen, was Ihnen und Ihrem Blatt an Großmut von Seiten der Hamburger Eigner widerfuhr - mehr erwarte ich nicht bei der Behandlung all jener, die gleich Ihnen und Ihrem Blatt voller DDR-Geschichte sind. Professor Dr. Peter Porsch gehört dazu.
Mit freundlichen Grüßen
Rico Gebhardt
Landesgeschäftsführer der PDS Sachsen
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Kommentar von Karl Nolle, MdL:
Der offene Brief vom PDS-Landesgeschäftsführer Rico Gebhardt an Hans Eggert, Chefredakteur der„Sächsische Zeitung", offenbart, unabhängig von Gebhardts mich nicht überzeugenden Plichttext zu Porsch, eine ideologische Verstrickung von Eggert in eigene stalinistische Traditionen, die in unserer Demokratie keinen Platz haben. Ich hoffe, daß Herr Eggert nun selber diese dunkelen Stellen, im Interesse seines Blattes, aufhellt. Nachdem sich schon Prof. Peter Porsch in den letzten Wochen als einfacher, unkritischer Mitläufer des SED-Regimes geoutet hat, ist es wohl ebenso offensichtlich, daß auch SZ-Chefredakteur Eggert mitten im Glashaus sitzt, oder irre ich mich da?
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