Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 25.09.2004
Thomaspfarrer Wolff will Tiefensee als SPD-Chef
Dresden/Leipzig. Die Würfel sind gefallen: Ab Dienstag wird in Sachsen über eine schwarz-rote Koalition verhandelt. Darauf hätten sich Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) und SPD-Chef Thomas Jurk verständigt, sagte gestern Regierungssprecher Christian Striefler. Das Treffen ist um 15 Uhr im Ständehaus in Dresden geplant. Auf der Tagesordnung stehen zunächst Regularien und die Reihenfolge der Themen. Die nächste Koalitionsrunde sei dann Anfang Oktober geplant.
Grundlage der ersten Koalitionsverhandlungen soll der zuvor von der alten CDU-Alleinregierung vorbereitete Haushaltsentwurf für 2005 und 2006 sein. Über die Zusammensetzung der Verhandlungsdelegation der CDU von fünf Politikern plus zwei Mitarbeitern will am Montag das Präsidium entscheiden. In die Runde einsteigen könnten neuerdings Justizminister Thomas de Maizière und eventuell Umweltminister und Parteivize Steffen Flath. Generalsekretär Hermann Winkler könnte indes eventuell außen vor bleiben.
Unterdessen begann eine SPD-interne Debatte zur Wahlschlappe, da die Partei nur 9,8 Prozent erhalten hatte. Leipzigs Thomaskirchen-Pfarrer Christian Wolff, selbst SPD-Mitglied, forderte Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee in einem Brief an die Genossen auf, den SPD-Landesvorsitz zu übernehmen, "um in vier Jahren als Ministerpräsidentenkandidat anzutreten". Ministerposten, so Wolff weiter, dürften "nicht von farblosen, biederen Leuten besetzt werden", sondern mit Persönlichkeiten, "die auch nach außen einen vermittelbaren, sozialdemokratischen Gegenpol zu Milbradt bilden". Die SPD sei "in ihrer Außenwirkung ein kleiner, biederer Polit-Verein". In der Parteispitze wurde dies als Einzelmeinung zurückgewiesen. Für die SPD verhandeln ab Dienstag Partei- und Fraktionschef Thomas Jurk, Tiefensee und Kanzleramtsminister Rolf Schwanitz.
Pikant ist indes noch eine andere Konstellation: CDU und SPD haben am Wahlsonntag im Landtag ihre Zweidrittelmehrheit verloren, die für die Besetzung wichtiger Ämter nötig ist - etwa zur Wahl von Verfassungsrichtern, des Datenschützers und des Rechnungshof-Präsidenten. Auch zusammen mit FDP und Grünen kommen CDU und SPD nur auf 81 Stimmen. Bei 124 Mandaten sind das zwei zu wenig. Direkte Folge: Ohne PDS geht bei der Vergabe politischer Spitzenjobs nichts mehr.
Unterdessen ging die Bildung der neuen Fraktionen weiter: Die sieben neuen FDP-Landtagsabgeordneten wählten ihren Spitzenkandidaten, den 33-jährigen Werbefachmann Holger Zastrow zum Fraktionsvorsitzenden.
(Jürgen Kochinke/Sven Heitkamp)