Karl Nolle, MdL

Thüringer Allgemeine, 20.09.2004

Neue Durststrecke: CDU verliert in Dresden absolute Mehrheit

Zwei Fragen bestimmten gestern den Wahltag in Dresden: Behält die Sächsische Union ihre Mehrheit, und wieviele Stimmen erhält die rechtsextreme NPD.
 
Zum Feiern war gestern im Dresdner Landtag wohl nur der FDP. Bei uns gibt es die beste Party des Abends, versprach der liberale Spitzenkandidat Holger Zastrow, rief sich zum Wahlsieger aus und bot sich im gleichen Atemzug als Koalitionspartner der CDU an. Mit der FDP könne eine bürgerlich-liberale Strategie in der sächsischen Politik fortgesetzt werden. Zum ersten Mal seit 10 Jahren zieht die FDP in den Landtag ein.

Zur selben Zeit machen im Fraktionssaal der SPD schon wieder ironische Bemerkungen die Runde. Karl Nolle, der wirtschaftspolitische Sprecher der Landtagsfraktion, hält indes das Ergebnis von unter 10 Prozent für respektabel, wenn man bedenkt, unter welche schwierigen Bedingungen der Wahlkampf geführt wurde. Die Proteste gegen die Arbeitsmarktreformen der Bundesregierung waren den Sozialdemokraten in Sachsen mitunter als blanker Hass entgegen geschlagen. Spitzenkandidat Thomas Jurk lässt es bei nüchternen Feststellungen: Ich stelle fest, das die Alleinregierung der CDU beendet ist. Ich stelle fest, das die SPD ein beachtliches Ergebnis erreicht hat. Sein Gesicht freilich strahlt keine Zuversicht aus, obwohl er sagt: Die SPD-Sachsen wird auch wieder schönere Tage erleben. Einigen SPD-Anhängern stehen die Tränen in den Augen.

Bei der PDS wird Spitzenkandidat Peter Porsch umjubelt. Indes, der Germanistikprofessor, dem Verstrickungen mit der Stasi vergeworfen werden, hält sich zurück. Geschadet habe das dem Abschneiden der Partei offenbar nicht: Ich habe sehr viel Zuwendung erhalten. Die PDS hat ihr Wahlergebnis von 1999 fast bestätigt. Viel schlimmer sei in den Augen von Porsch das Abschneiden der NPD.

Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD) konstatierte das NPD-Ergebnis von rund 9 Prozent mit Erschütterung: Sachsen ist da angekommen, wo viele Bundesländer schon zuvor waren ( die NPD ist im Landtag. Das ist schlimm. Thomas Jurk kündigt hingegen die politische Auseinandersetzung mit den Rechtsradikalen an: Wir haben keine Furcht davor. Karl Nolle trifft da eine erste Analyse: Man dafür die Wähler der NPD nicht verwechseln mit den Funktionären. Das sind Protestwähler.

Wie sich die Funktionäre dieser rechtsextremen Partei darstellen, zeigten gestern Abend bereits zwei Eklats. Als der sächsische NPD-Chef Holger Apfel bei einer Gesprächsrunde im ZDF seine Parolen abspulen will, verlässt zunächst Thomas Jurk das Wahlstudio. Wenige Augenblicke später folgen ihm Ministerpräsident Georg Milbradt und die anderen Spitzenkandidaten. Im Foyer des Landtages, wo vor fünf Jahren der damalige Ministerpräsident Biedenkopf bis hinauf in den dritten Stock gefeiert wurde, kehrten sich gestern die Verhältnisse um, als dort Apfel sein Statement geben wollte. Zwar standen die Menschen wieder am Treppengeländer, doch riefen sie diesmal Nazis raus. Als die Funktionäre auch noch ihre Fahne entrollten, erhob sich ein Pfeifkonzert. Apfel indes erklärte die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der DVU in Brandenburg fortsetzen zu wollen. Beide rechtsextreme Parteien hatten im Vorfeld der Wahlen die beiden Bundesländer untereinander aufgeteilt.

Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU), der im Wahlkampf immer vor der NPD gewarnt hatte, verwies auch gestern auf die wirtschaftlichen Folgen, nach der sich ausländische Investoren jetzt vermutlich zurückhalten werden. Dass mit dem Verlust der absoluten Mehrheit nach 14 Jahren in Sachsen eine Ähra zu Ende geht, mochte Milbradt nicht kommentieren. Auch bei der Frage nach einem künftigen Koalitionspartner hielt er sich zurück. Gespräche sollen offenbar mit der FDP geführt werden.

Offen blieb gestern Abend auch das Abschneiden der Grünen. Nach den ersten Hochrechnungen gab es viel Beifall für Spitzenkandidatin Antje Hermenau. Die Partei erreichte knapp 5 Prozent. Je später der Abend wurde, um so einsilbiger wurden die Grünen. Das wird eine Zitterpartie, so Antje Hermenau.
Von Karsten JAUCH