Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 29.09.2004
„Dieses Angebot ist nicht verhandelbar“
Für CDU-Bildungspolitiker bleibt das Schulsystem tabu
Für die Bildungspolitiker der CDU steht bei den Koalitionsverhandlungen viel auf dem Spiel. 14 Jahre haben sie allein über das Schulsystem bestimmt – mit einigem Erfolg, wie sie selbst meinen. Nun hat die Neun-Prozent-Partei SPD die Chance, alles in Frage zu stellen, was die CDU bis gestern noch für den einzig richtigen Weg hielt. Aber obwohl es um die Regierungsmehrheit geht, hat die Kompromissbereitschaft für die Schul-Politiker Grenzen.
„Ich will nicht lange darum herumreden“, sagt Kultusminister Karl Mannsfeld. „Aber das, was angeboten wird, ist nicht verhandelbar.“ Er meint die Abschaffung der Auslese nach der 4. Klasse und die achtjährige gemeinsame Schulzeit, wie sie die SPD fordert. Eine Folge wäre das Ende des zwölfjährigen Abiturs, da die Abiturienten in einem zusätzlichen Schuljahr nachholen müssten, was in einer Einheitsschule verloren ginge. Sonst würde das sächsische Abitur bundesweit nicht mehr anerkannt werden. „Damit würden wir vom Vorreiter zum Träger der roten Laterne.“
Auch Lars Rohwer, jugendpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, legt die Latte hoch. „Eine künftige Einheitsschule als Ergebnis der Koalitionsverhandlungen wäre ein klarer Fehler.“ Dass sich in einer SZ-Umfrage über 80 Prozent für eine achtjährige gemeinsame Schulzeit ausgesprochen haben, ficht ihn nicht an. „Die CDU macht an den Schulen keine falsche Politik. Wir müssen nur besser vermitteln, dass wir mit dem aktuellen System besser vorankommen.“
Drastische Worte fand Wissenschaftsminister Matthias Rößler: Wer das zukunftsorientierte Schulmodell zerstöre, das Sachsen bei der Pisa-Studie bundesweit auf Platz 3 geführt habe, versündige sich an der Zukunft der Kinder.
Lehrer und Schulträger machten sich große Sorgen, dass das ganze Schulsystem wieder über den Haufen geworfen werde, sagte Thomas Colditz, bildungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Und sein Kollege Andreas Grapatin vermutet, dass eine Abschaffung des Gymnasiums in seiner bisherigen Form einen Boom der Privatschulen zur Folge hat. „Wir bekommen eine Abstimmung mit den Füßen.“
Die CDU-Bildungsexperten hoffen, dass es an anderen Stellen genügend Gemeinsamkeiten mit der SPD geben wird. So sieht Mannsfeld Gestaltungsspielraum bei der Unterrichtsgestaltung und den Ganztagsschulangeboten. Rohwer hält mehr Geld für nötig, um auf Dauer genügend Lehrer an den Schulen vorzuhalten. Und dass die SPD künftig den Kultusminister stellt, steht für sie noch lange nicht fest. In keiner der acht Koalitionsregierungen in den Ländern hat der kleinere Partner das Schulressort bekommen, hat Mannsfeld herausgefunden. „Ich gehe davon aus, dass die Verhandlungen dem Rechnung tragen werden.“
(Von Karin Schlottmann und Gunnar Saft)