Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 06.10.2004

Bohren an dünner Stelle

Ex-Landtagsbewerber halten PDS Rechtsbrüche vor und riskieren Wahlwiederholung
 
Wenn alles nach Plan läuft, wird die 47-jährige Geschäftsfrau Barbara Lässig aus Dresden ein wichtiges Kapitel sächsischer Politikgeschichte schreiben. Im Frühjahr beim Kampf um einen aussichtsreichen Platz auf der PDS-Kandidatenliste zur Landtagswahl gescheitert, will sie jetzt nach eigenen Aussagen vor allem um „ein Stück notwendige Gerechtigkeit“ kämpfen. Ihre angekündigte Wahlanfechtung, mit der sie der PDS Rechtsbrüche bei der Aufstellung ihrer Kandidaten nachweisen will, könnte für alle Parteien Konsequenzen haben. Gelingt es der parteilosen Sportpolitikerin, die Richter von den Vorwürfen zu überzeugen, droht nichts anderes als eine Wiederholung der Landtagswahl.

Vorwurf: Parteibasis blieb regelwidrig außen vor

In der PDS-Führungsspitze winkt man nach außen noch locker ab. „Wir sehen der Klage gelassen entgegen“, sagen Parteivorsitzende Cornelia Ernst und Landesgeschäftsführer Rico Gebhardt, die beide auf sicheren Plätzen den Sprung ins Parlament schafften. Für sie handelt es sich um die bedauerliche Reaktion einer enttäuschten Bewerberin.

Andere Genossen sind da besorgter. Denn die angestrebte Klage ist der Höhepunkt einer monatelangen Auseinandersetzung um ein Wahlverfahren, das auch in der PDS höchst umstritten ist. Hamburger Richter hatten 1993 in einem ähnlichen Fall eine Wahlwiederholung angeordnet, weil sie demokratische Grundsätze verletzt sahen. Im Gegensatz zu anderen Parteien, die bei den fälligen Nominierungsparteitagen Kampfkandidaturen um einzelne Listenplätze zuließen, wählte die PDS nämlich erneut einen anderen Weg. So platzierte der Landesvorstand in Eigenregie 40 Bewerber auf die aussichtsreichen vorderen Plätze. Von dort konnten sie nur noch verdrängt werden, wenn sie von über 50 Prozent der Delegierten gestrichen wurden. Das Wort von einer „Betonliste“, die die Parteispitze nach eigenem Gusto zusammengestellt hat, machte vorab die Runde.

Ernst und Co. verteidigen sich heute mit dem Hinweis, dass die Besetzung der so genannten Präferenzliste zuvor mit der Basis abgestimmt worden und somit demokratisch und juristisch sanktioniert sei. Genau an dieser Stelle setzen aber die Kritiker an und zielen dabei weniger gegen die „Betonliste“ als gegen das Verfahren selbst. So will der ehemalige PDS-Landtagsabgeordnete Ralf Eißler aus Meißen der Klage beitreten. Seine Begründung macht zumindest nachdenklich: Es sei nachweislich nicht in allen Kreisverbänden zu den vorgeschriebenen Nominierungskonferenzen gekommen sei. Für ihn ein klarer Rechtsbruch. Außerdem habe sich die Parteispitze in vielen Fällen später nicht an das Votum der Basis gehalten. Und Eißler hält noch kräftiger gegen: Das aktuelle Argument der PDS-Führung, bereits 1999 habe das gleiche Verfahren stattgefunden, sei schlicht falsch. So habe es damals flächendeckend Regionalkonferenzen gegeben, deren Entscheidungen später fast alle akzeptiert worden seien.

Eißler und Lässig, die heute in Dresden Details der Klage vorstellen wollen, glauben, mit ihren Einwänden gute Karten zu haben. Mit der Rechtsanwältin Cordula Heß hat man inzwischen eine Expertin auf diesem Gebiet gewonnen. Viel Unterstützung gibt es zudem im persönlichen Umfeld. Neben Spenden für den teuren juristischen Vorstoß kann sich Lässig auch über die Hilfe des Ex-Admirals Elmar Schmäling freuen. Der begleitete seine Lebensgefährtin gestern in die PDS-Zentrale, wo sie sich die Aufzeichnungen des umstrittenen Wahlkongresses ansehen wollten. Die Gesichter einiger Spitzengenossen sollen bei dieser Nachricht länger geworden sein.
Von Gunnar Saft