Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 20.10.2004

Trommelmusik und neue Töne

 
Dresden. Afrikanische Trommeln, jiddische Musik: Was gestern auf dem Landtagsvorplatz in Dresden stattfand, glich eher einem kleinen Volksfest als einer Kundgebung mit politisch hartem Kern. "Kein Sex mit Nazis" und "Demokratie fördern" stand auf Transparenten. Drinnen aber, im Parlament wohl bewacht hinter Zäunen, tagten die 124 sächsischen Abgeordneten - zum ersten Mal seit der Wahl, erstmals auch mit der NPD.

Das genau war der Grund für den Protest vor den Toren. Parteien, Gewerkschaften, Künstler und Friedensinitiativen hatten geladen, machten gegen Rechtsextremismus mobil. Die zwölf NPD-Abgeordneten ließen sich auf dem Vorplatz nicht blicken, kamen lieber durch den Seiteneingang ins Parlament. Dort zeigten sie kurz ihr Gesicht. Als der Alterspräsident des Landtags, Cornelius Weiss, an die Abgeordneten, Künstler und anderen Widerstandskämpfer erinnerte, die von den Nationalsozialisten hingerichtet wurden, saß der Chef der NPD-Fraktion Holger Apfel in der ersten Reihe und grinste.

Dabei war es Weiss, der die Aufgabe übernommen hatte, nach dem Einzug der Rechtsextremisten mit 9,2 Prozent zur Eröffnung den richtigen Ton anzustimmen. Die politische Landschaft in Sachsen, sagte er, habe sich "gründlich verändert -und leider nicht nur zum Guten". Eindringlich appellierte der 71-jährige Sozialdemokrat und frühere Leipziger Uni-Rektor an die Abgeordneten, den Grundkonsens der Demokraten zu pflegen. "Wir wissen, welches millionenfache Leid diktatorische Staatsformen über die Länder dieser Welt, auch über Deutschland gebracht haben." Leider gebe es aber wieder "einige Leute, die glauben, ihr demokratie- und verfassungsfeindliches Süppchen kochen zu dürfen, und den Menschen einreden wollen, dass die freiheitliche Bürgergesellschaft grundsätzlich versagt habe". Als der Saal applaudierte, blieben die NPD-Abgeordneten still sitzen.

Das prägte das Bild gestern allgemein. Die Abgeordneten aller Fraktionen, auch die der NPD, waren weitgehend um einen normalen Umgang bemüht - keine Ausgrenzung, keine spektakulären Aktionen. Fast schon gespenstisch wirkte es phasenweise, wie die 124 Parlamentarier in üblicher Form über Detailfragen der Geschäftsordnung stritten. Die "wehrhafte Demokratie" sucht noch die richtigen Umgangsformen.

Und selbst als Apfel seinen Debattenbeitrag zur Geschäftsordnung herunter spulte, blieb es im Landtag ruhig. Lediglich einige PDS- und SPD-Abgeordnete drehten sich demonstrativ weg, zuhören mussten sie trotzdem. Vom "Netzwerk der Systemparteien" redete Apfel, von "konstruktiver Arbeit zum Wohle des deutschen Volkes". Vor allem aber machte er Front gegen die Rede von Weiss. "Wir lassen uns nicht von den Phrasen der wehrhaften Demokra-tie einschüchtern", lautete seine Parole. Und oben auf der Tribüne saß NPD-Bundeschef Udo Voigt in der vierten Reihe, bewacht von Personenschutz.

Einen großen Auftritt wie noch am Wahlabend hat sich die NPD gestern erstmal verkniffen. Bei Landesrabbiner Salomon Almekias-Siegl, der nur zwei Reihen entfernt von Udo Voigt saß, hat dies dennoch Wirkung erzielt. Bei der Rede von Apfel habe er "den Schatten von Adolf Hitler" gespürt, meinte er. Der Einzug der NPD sei emotional sehr belastend, eine Beleidigung der Demokratie. Das, so Almekias-Siegl, sei wie eine Fliege in der Suppe: Die Suppe schmeckt, aber das kleine Tier lässt sie ekelhaft aussehen.
Sven Heitkamp/Jürgen Kochinke






.