Karl Nolle, MdL

Agenturen Associated Press, 16:52 Uhr, 27.09.2004

Ein absolutes Novum

Erstmals in der Geschichte des Freistaates stehen in Sachsen Koalitionsverhandlungen an.
 
Dresden (AF) Fast exakt 14 Jähre nach der Wiedervereinigung erlebt Sachsen ein absolutes Novum: Erstmals in der Geschichte des Freistaates stehen Koalitionsverhandlungen an. Nach dem Verlust der absoluten Mehrheit bleibt der CDU nichts anderes übrig, als sich zum Regieren einen Partner ins Boot zu holen. Die Landtagswahl vom 19. September läßt viele Kombinationen zu, aber nur eine kommt ernsthaft in Frage. Die CDU wird wohl oder übel mit der SPD ein Bündnis eingehen und so der Regierung im Landtag bei insgesamt 124 Mandaten eine, einigermaßen satte Mehrheit von 68 Sitzen sichern.

Wenn am (morgigen) Dienstag die Verhandlungskommission unter Führung von Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) und dem SPD Landesvorsitzenden Thomas Jurk zu ihrem ersten Gespräch in Dresden zusammentreffen, ist die Ausgangslage schwierig. Die Positionen beider Seiten liegen in den zentralen Bereichen Bildung und Wirtschaft/Arbeit sehr weit auseinander.

Die fünfköpfige Verhandlungskommission wird auf CDU-Seite von Milbradt angeführt. Ebenfalls mit dabei sind Fraktionschef Fritz Hähle, Generalsekretär Hermann Winkler, der stellvertretende Landesvorsitzende Steffen Flath sowie Justizminister Thomas de Maiziere.

Die SPD hat bis jetzt Jurk, den Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee und den stellvertretenden sächsischen SPD Landesvorsitzenden Rolf Schwanitz für ihre Kommission benannt. Gerade Schwanitz wisse, wie eine Ministerialverwaltung funktioniere, sagt SPD-Sprecher Andreas Beese.

Nach Angaben von Regierungssprecher Christian Striefler wird es zunächst einmal gar nicht um Inhalte gehen, sondern um den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses. Milbradt und Jurk könnten miteinander, sagt Striefler. Dies sei jedenfalls sein Eindruck aus dem bisherigen Gespräch in der vergangenen Woche.

Angesichts der unterschiedlichen inhaltlichen Interessenlage fügte er hinzu: "Ziel ist es, eine vernünftige Lösung zu finden.” Die gleiche Tonart schlägt auch Beese an: "Am Ende muß ein Stück Papier herauskommen, das Sachsen voranbringt." Zugleich kündigen beide Seiten an, die Gespräche selbstbewußt führen zu wollen.

So besonders schwierig ist die Ausgangslage auch angesichts der bisherigen politischen Rollen, die CDU und SPD in Sachsen ausgefüllt haben. Die Konservativen hatten sich 14 Jahre lang an das Regieren mit absoluter Mehrheit und die damit verbundene Macht gewöhnt. Die sächsischen Genossen gingen dagegen von Wahlentscheidung zu Wahlentscheidung durch Täler der Tränen und landeten bei der jüngster Landtagswahl mit 9,8 Prozent sogar im einstelligen Bereich.

Über Nacht wieder ganz oben

Der CDU-Landtagsabgeordnete Heinz Eggert sieht die Landespartei inzwischen gefaßt: "So langsam hat sie sich an das Wahlergebnis gewöhnt.” Die SPD, die noch am Abend der Landtagswahl im Keller war, wurde quasi über Nacht wieder nach oben katapultiert, denn erst am Montagmorgen nach dem 19. September war klar, dass auf Grund der neuen Mehrheiten vieles für eine CDU/SPD-Koalition spricht. "Einige in der Partei haben lange gebraucht um zu realisieren, was da los ist", sagt Beese. Jetzt werde aber mit Blick auf die bevorstehenden Koalitionsgespräche hochmotiviert gearbeitet.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle zeigt sich trotz des wahrscheinlichen Eintritts seiner Partei in die Landesregierung zurückhaltend:. "Es gibt schon viele, die mit stolzgeschwellter Brust durch die Gegend laufen und gar nicht wissen, was es bedeutet, als SPD-Mitglied in einem von der CDU dominierten Ministerium. zu arbeiten." Da müsse man ein guter Taktiker mit hohem Durchsetzungsvermögen sein und er kenne nicht viele davon.
(von AP-Korrespondent Frank Ellmers)