Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 22.10.2004

Heute geht's um Taube oder Spatz

 
Dresden. "Die CDU muss sich entscheiden, ob sie sich in der Schulpolitik bewegen oder Neuwahlen will!" Solcher Theaterdonner aus der Kulisse der SPD-Berater gehört sicher zum Geschäft. Richtig aber ist, dass heute die Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung am Scheideweg stehen. Andere strittige Punkte sind zurückgestellt worden, die Bildungswege vom Kindergarten bis zur Hochschule stehen am Nachmittag auf der Tagesordnung. Für die SPD wird als Bildungsexperte Leipziges Ex-Olympiabeauftragter Burkhard Jung am Tisch sitzen. Den bisherigen Spielregeln folgend dürften die weniger kontroversen Felder schnell abgehakt sein.

Wissenschaft. Im Wissen um das Kommende wird die SPD den Hochschulkonsens nicht aufschnüren. Schließlich müsste eine Alternative her. Am Verbot von Studiengebühren, gegen das der Freistaat als eines von sechs Bundesländern vor dem Bundesverfassungsgericht klagt, wollen die Sozialdemokraten aber unbedingt festhalten. Dazu gibt es heute auch eine Studenten-Demo der "Gruppe der Fünfzig" am Rande der Gespräche.

Kultur. Beide Seiten werden wohl schnell übereinkommen, dass Kulturraumgesetz grundsätzlich fortzuschreiben. Details können später beraten werden.

Medien. Gern sprechen sich CDU und SPD für den Medienstandort Leipzig aus. Geräuschlos werden die Verhandlungsführer auch die zusammengestrichene Rundfunkgebührenerhöhung durchwinken.

Dynamische Zuschüsseund Modellversuch?

Dann können Georg Milbradt (CDU) und Thomas Jurk (SPD) kaum noch den Konflikten ausweichen. Die Kinderbetreuung ist schon einmal verschoben worden, in den heutigen Themenkomplex Bildung.

Zugangskriterien für die Kindertagesstätten sind hier ein Zankapfel. Die SPD, im Landtag strikt dagegen, sitzt mit OB Wolfgang Tiefensee am Tisch, der in Leipzig aus finanziellen Gründen über Zugangskriterien nachdenken lässt. Sollte hier eine jährliche Dynamisierung des bislang konstanten Landeszuschusses für die Kinderbetreuung ein Kompromiss sein, der dann kommende Woche auch noch helfen kann, den strittigen Komplex Kommunalfinanzen auszuräumen? Beim Thema Schule stehen sich zwei Systemvorstellungen gegenüber, die beide Seiten als nicht verhandelbar darstellen. Längere gemeinsame Grundschulzeit, eine Aufweichung des gegliederten Schulsystems will die SPD, die CDU beim bisherigen Prinzip der Auslese nach Klasse 4 bleiben. Viele ihrer Ziele hoffen die Sozialdemokraten auf dem Umweg über eine größere Autonomie und Verantwortung der einzelnen Schule zu erreichen. Die CDU hatte da schon Bewegung gezeigt. Nun geht es auch um die Zulassung kleinerer Schulen. Ein günstigerer Personalschlüssel würde beispielsweise Reserven für die Führung einzügiger Mittelschulen schaffen. Doch das kostet Geld. Über die Kommunalisierung des Lehrer-Personals ließe sich wohl reden mit den Christdemokraten. All dies könnte der SPD als goldene Brücke dienen, um mit dem Spatz in der Hand zufrieden zu sein. Schmerzhaft werden die Kompromisse für beide Seiten sein, wie eventuell auch bei einem Modellversuch für die längere Grundschulzeit, der später evaluiert werden könnte.

Wenn zwei Konzerne sich nicht besiegen können, müssen sie fusionieren, heißt es. Eine Neuwahl würde schließlich nur anderen helfen.
M.Bartsch/I.Pleil