Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 20.10.2004

Neuer Landtag: Eklat bleibt aus

Rechtsextreme NPD erstmals im Parlament / Alterspräsident appelliert an Demokraten / Proteste vor der Bannmeile
 
Einen Monat nach der Wahl hat sich gestern in Dresden das bundesweit derzeit einzige Sechs-Fraktionen-Parlament konstituiert. Alterspräsident Cornelius Weiss (SPD) leitete die vierte Legislaturperiode des sächsischen Landtages mit einem Plädoyer für Demokratie ein.

Aufruf an die Abgeordneten

Alterspräsident Cornelius Weiss rief die Abgeordneten zur Stärkung der Demokratie auf. Ohne die NPD namentlich zu erwähnen, sagte er im Hinblick darauf, dass auch sie nun ein Rederecht im Landtag hat, Freiheit der Gedanken sei kein Zeichen für Schwäche und Toleranz. Er erinnerte unter anderem an die Opfer der NS-Diktatur. Mit deutlichem Verweis auf die Rechtsextremisten erklärte er: „Leider gibt es in diesem Land einige Leute, die glauben, ihr demokratie- und verfassungsfeindliches Süppchen kochen zu dürfen und den Menschen einreden wollen, dass die freiheitliche Bürgergesellschaft versagt habe.“

Medienaufgebot

TV-Stationen aus Österreich und Frankreich waren zur ersten Sitzung des Landtags vor Ort. Sie wollten genauso wie Journalisten aus Japan, Großbritannien, Dänemark und ganz Deutschland über den ersten NPD-Einzug in ein Landesparlament seit 1968 berichten. Der fiel am Ende unspektakulär aus. NPD-Fraktionschef Holger Apfel marschierte erst kurz vor Beginn der Sitzung in den Saal und wurde dort vom Blitzlichtgewitter der Fotografen empfangen.

Proteste & Gottesdienst

Unmittelbar vor der konstituierenden Sitzung haben etwa 250 Menschen am Dienstagmorgen vor dem Parlamentsgebäude wegen des Einzugs der rechtsextremen NPD in den Landtag demonstriert. Die Bischöfe der katholischen und der evangelischen Kirche, Joachim Reinelt und Jochen Bohl, mahnten die Abgeordneten des Landtags in einem ökumenischen Gottesdienst zu Besonnenheit und gutem Tun.

Neues Präsidium

Zum Landtagspräsidenten wurde Erich Iltgen (CDU) wiedergewählt. Der 64-Jährige hat dieses Amt seit 1990 inne. CDU und SPD hatten ihn gemeinsam vorgeschlagen. Zu seinen Stellvertretern wurden Regina Schulz (PDS), Andrea Dombois (CDU) und Gunther Hatzsch (SPD) gewählt. Die Wahl des dritten Stellvertreters war umstritten. Dies sei ein „Versorgungsposten“ für die SPD, hieß es. Wegen noch laufender Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD wurde erstmals in der Geschichte des Landtags in der ersten Sitzung kein Ministerpräsident gewählt.

Geschäftsordnung

Der Landtag hat sich eine neue Geschäftsordnung gegeben. Die Fraktionen von PDS, rechtsextremer NPD, FDP und Grünen scheiterten mit allen vorgebrachten Änderungsanträgen an dem Entwurf von CDU und SPD. (SZ/ts)