Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 20.10.2004

Erste Prüfung bestanden

Kommentar von Olaf Kittel
 
Wäre der Grad der Aufmerksamkeit für den neuen Landtag Maßstab für seinen Erfolg, ginge Sachsen glanzvollen Zeiten entgegen. Doch leider sind die meisten Journalisten gestern aus einem einzigen Grund nach Dresden gereist: Sie wollten sehen, wie ein deutsches Parlament mit Abgeordneten der rechtsextremen NPD umgeht. Und die mit ihm.

Deshalb ist es wichtig, dass der Landtag diese erste Prüfung mit Anstand bewältigt hat. Abgeordnete der demokratischen Parteien distanzierten sich deutlich von der braunen Ideologie und setzten sich sachlich mit den Positionen der Rechten auseinander. Dazu die klare Ansage des Alterspräsidenten, dass die Freiheit der Gedanken kein Zeichen der Schwäche ist und die Demokratie sich notfalls zu verteidigen weiß. Die Abgeordneten verzichteten weitgehend auf vordergründigen Aktionismus und Schaum vor dem Mund. Damit dürfte der neue Landtag gestern die richtige Tonlage für die kommende Legislaturperiode gefunden haben.

Die schwierigeren Prüfungen stehen freilich noch bevor. Es ist nicht sicher, dass sich die NPD-Leute weiter als vergleichsweise zurückhaltende Biedermänner aufführen. Der Landtag muss, relativ sachlich vorgetragen oder nicht, mit ernsten Provokationen rechnen und auch dann noch seine Linie durchhalten. Größte Herausforderung für Regierung und Parlament bleibt allerdings, sich nicht von dem Aufgabenberg in Sachsen ablenken zu lassen: Das Land braucht dringend Arbeitsplätze, mehr Aufmerksamkeit für die Bildung und Perspektiven für die Jugend. Die Kassen sind leer, und die Stimmung ist schlecht – sie hat die Rechtsextremen ins Parlament gespült.

Deshalb wird sich nach der Landtagseröffnung nun alle Hoffnung auf die Koalitionsgespräche richten. Die von der absoluten Mehrheit verwöhnte CDU und die schwer geprügelte SPD müssen jetzt nachweisen, dass sie gemeinsam eine zukunftsfähige Politik gestalten können, die mehr ist als eine Ansammlung fauler Kompromisse. Vom Erfolg dieser Koalition wird nicht nur die Entwicklung Sachsens abhängen, sondern auch, ob die Rechtsextremen noch einmal so viele Protestwähler anziehen können oder nicht.