Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 23.10.2004

Das Munkel-Karussell läuft bereits auf Hochtouren

 
Dresden. Die Studenten der "Gruppe der 50", die gestern vor der Staatskanzlei standen, setzen große Hoffnungen in die SPD: "Wir zählen auf euch", stand auf einem Transparent, mit dem sie die Sozialdemokraten am Verhandlungstisch aufforderten, ihre Hochschulpolitik durchzusetzen: Eine Verbesserung der Studienbedingungen und eine Verhinderung von Studiengebühren. Damit war ein Teil des Minenfeldes beschrieben, auf dass sich die angehenden Koalitionäre begaben: Es ging um das Thema Bildung von der Kita bis zur Uni, ein Terrain, auf dem SPD und CDU konträre Absichten verfolgen. Vorgesehen war beispielsweise, dass Leipzigs Ex-Uni-Rektor Cornelius Weiss (SPD) gegen den Willen der CDU eine finanzielle Aufstockung des alten Hochschulvertrages fordert.

Größere Eintracht herrscht bei der Einführung von Vorschulangeboten. Dafür dürften die Teilzeitregelungen bei Grundschullehrern gelockert werden, um mehr Personal bereit zu stellen. Ein Kompromiss deutet sich auch bei der regelmäßigen Erhöhung der Zuschüsse für Kitas an: Diese Dynamisierung müsse ja nicht per Gesetz geregelt, sondern könne alle zwei Jahre mit dem Haushalt neu verhandelt werden, hieß es in der CDU. Auch beim Thema Schule deutet sich eine Verlagerung der Konflikte an: Mit einer größeren Autonomie der Schule und einer Übertragung des Personals an Kommunen könnte in der Praxis beiden Seiten geholfen sein.

Doch die Koalitionäre sind verschwiegen wie der Vatikan, greifbare Ergebnisse kommen erst in der ersten Novemberwoche auf den Tisch. In genau zwei Wochen sollen Parteitage von CDU und SPD über das Koalitionspapier befinden. Bis dahin wird auch das Personaltableau einigermaßen feststehen, das gestern mit im Raum stand.

Doch bei der Besetzung der Ministerposten ist der alte und künftige Regierungschef Georg Milbradt unter Druck geraten: Bei der umstrittenen Wahl des SPD-Abgeordneten Gunther Hatzsch zum dritten Landtags-Vizepräsidenten hatte die künftige Koalition am Dienstag nur 63 Stimmen bekommen - eine sehr knappe Mehrheit bei 123 anwesenden Abgeordneten. Das Votum zeigt, dass sich Milbradt kaum Abtrünnige in den eigenen Reihen leisten kann, um die Macht zu sichern.

Knappe Mehrheiten setzen Milbradt unter Druck

Für Kultusminister Karl Mannsfeld, der den Einzug in den Landtag verpasste, sind damit die Chancen auf eine Weiterbeschäftigung gesunken - anders als bei Innenminister Horst Rasch und Wirtschaftsminister Martin Gillo, obwohl sie sich in den Koalitionsgesprächen nicht mit Ruhm bekleckert haben sollen. Doch beide haben ein Landtagsmandat erreicht. Setzt Milbradt auf ihre Loyalität oder fürchtet er freie Radikale in der Fraktion, wie seinerzeit, als Christine Weber zur Sozialministerin wurde. Für Rasch soll indes angeblich schon Justizminister Thomas de Maizière vorgesehen sein. Ihm werden zumindest mehr Aufgaben zugetraut.

Offen ist, was aus Sozialministerin Helma Orosz und Umweltminister Steffen Flath wird, wenn die SPD zumindest Teile ihrer Ressorts beansprucht. Doch gelten Flath wie Orosz als "Allzweckwaffen", die auch andere Häuser leiten könnten. Das Wirtschaftsressort hätte allerdings gern die SPD - etwa mit Fraktionschef Thomas Jurk, der statt der Kärrnerarbeit mit den Genossen im Landtag die Bühne eines Arbeitsministeriums suchen könnte.

Böse Spekulanten drohen auch mit Karl Nolle als Wirtschaftsminister, was allerdings kaum mehr als eine Finte sein dürfte. In der CDU werden neue Aufgaben auch der Landesarchäologin Judith Oexle (Kultur/Kunst?) und der Wirtschaftsstaatssekretärin Andreas Fischer (Justiz?) zugetraut. Doch vieles bleibt in diesen Tagen Spekulation. Oexle gilt als Milbradt-Vertraute, war aber schon bei früheren Ämterbesetzungen im Gespräch, ohne zum Zug zu kommen. Kunst-Minister Rößler habe keinen Grund mit dem hohen Amt abzuschließen, heißt es in Verhandlungskreisen, es müsse ja nicht das gleiche Ressort sein.

Da bei der SPD inzwischen deutlich zu vernehmen ist, dass kaum mehr Interesse am Schulministerium besteht, stellt sich die Frage nach dem zweiten Ressort für die Genossen. Gerald Thalheim, parlamentarischer Staatssekretär aus dem Berliner Verbraucherministerium von Renate Künast (Grüne), hat sich auf dem Munkel-Karussell festgesetzt. Dahinter steht der "Goldene Plan 2009", der Sozialdemokraten in Berlin. In fünf Jahren soll in Sachsen die Wahl gewonnen werden - mit Wolfgang Tiefensee an der SPD-Spitze. Leipzigs OB sitzt derzeit mit am Verhandlungstisch.

Fest steht nach dem Willen der Frauen in der CDU-Fraktion, dass die Dresdner CDU-Kreischefin und frühere Gleichstellungsministerin Friederike de Haas neue Ausländerbeauftragte werden soll. Auf diesen Vorschlag hätten sich die zehn Frauen in der Fraktion verständigt, bestätigte Landtagsvize-Präsidentin Andrea Dombois auf Anfrage. Amtsvorgänger Heiner Sandig hatte bei der Wahl im September den Wiedereinzug ins Parlament verpasst.
S.Heitkamp,I.Pleil