Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 27.10.2004
Personalpoker mit zu vielen Karten
Künftiger Regierungschef unter Druck: CDU verliert zwei von neun Ministerposten / SPD-Anwärter in Lauerstellung
Wenn am Wochenende die Koalitionsgespräche mit der SPD in die voraussichtlich letzte Runde gehen, hat CDU-Chef Georg Milbradt endgültig ein Problem. Als künftiger neuer Ministerpräsident muss er dann seine Regierungsmannschaft zusammenstellen. Eine Aufgabe, die unlösbar ist, wenn man alle Begehrlichkeiten erfüllen will.
Milbradt steht diesmal sogar bei vermeintlich leichten Fällen vor Problemen. So gilt die Neuberufung von Umweltminister Steffen Flath als genauso sicher wie die des amtierenden Justizministers Thomas de Maizière. Doch gerade vor der erwarteten Aufwertung von de Maizière, der neben Flath als ein Anwärter auf die künftige Kronprinzen-Rolle im Kabinett gilt, steht noch eine Hürde. Sollte er tatsächlich ins Innen- oder in ein anderes Krisenressort wechseln, muss im Justizministerium ein Neuling ran, da dieses von einem Juristen geleitet werden muss. Für den Fall bietet sich nicht nur der CDU-Schatzmeister Jürgen Schwarz – Rechtsanwalt und Milbradt-Vertrauter – an. Gute Karten hätte auch Günther Schneider. Der Richter und CDU-Chef im Mittleren Erzgebirgskreis zog jetzt als Abgeordneter in den Landtag ein. Jeder „Neuling“ belastet allerdings das mittlerweile deutlich knappere CDU-Kontingent am Kabinettstisch. Zwar dürften mit Innenminister Horst Rasch und Kultusminister Karl Mannsfeld zumindest zwei der bisherigen Regierungsmitglieder ihr Amt verlieren. Doch da die SPD mit mindestens zwei der neun Ministerposten rechnen darf, wird es beim Kampf um die Plätze eng.
So droht vor allem Wirtschaftsminister Martin Gillo, aber auch dem Chef der Staatskanzlei Stanislaw Tillich sowie der Sozialministerin Helma Orosz Ungemach, indem sie ihre Ressorts durch taktische Personalrochaden der CDU oder auf Drängen des neuen Regierungspartners SPD abgeben müssen. Andererseits haben es potenzielle CDU-Nachrücker wie Generalsekretär Hermann Winkler oder die Wirtschaftsstaatssekretärin Andrea Fischer längst doppelt schwer. Beide galten vor der Landtagswahl als aussichtsreiche Minister-Anwärter. Nun grollen Parteibasis und CDU-Fraktion, die Winkler für die Stimmenverluste mitverantwortlich machen und die Fischer für gescheitert ansehen, weil sie den sicher geglaubten CDU-Wahlkreis Hoyerswerda verlor. Das könnte Gillo und Co. helfen.
Auf SPD-Seite ist in puncto Personalfrage einiges klarer. Zwar werden dort ebenfalls viele Namen gehandelt. Doch der Kandidatenkreis mit Chancen ist überschaubar. Ganz vorn steht SPD-Fraktionschef Thomas Jurk, der das Wirtschafts- oder das Sozialressort übernehmen könnte. Die Aussichten der anderen Anwärter stehen und fallen mit dem zweiten SPD-Ministerium. Favoriten sind Leipzigs Ordnungsbürgermeister Holger Tschense (Innen), sein Rathauskollege Burkhard Jung (Kultus) und inzwischen auch wieder die Chemnitzer Beigeordnete Barbara Ludwig (Soziales). Nicht zuletzt steht auch der Staatssekretär im Berliner Verbraucherschutzministerium, Gerald Thalheim (Agrar/Umwelt), bereit. (Fotos: Archiv)
Von Gunnar Saft